"Seele von Afrika"

Samstag, 31. Dezember 2011

30.12.2011 Auf der Urwaldbühne und Einreiseschwierigkeiten

Wir können unser Glück kaum fassen, denn heute dürfen alle eine halbe Stunde länger schlafen, da wir 'Croc Valley' erst gegen 9.30 Uhr verlassen werden. Die grausame Realität holt uns jedoch zu gewohnt früher Stunde wieder ein. Noch vor Sonnenaufgang schrecke ich durch ein lautes Poltern und Klirren aus dem Schlaf hoch. Auch andere Rotelianer werden dadurch wach und versuchen so wie ich dieses Geräusch zu orten.
Plötzlich rumpelt es oben auf dem Busdach und schrille Schreie hallen durch den dämmernden Morgen.
Affentheater!
Die dreisten Makaken haben unsere Reis- und Fleischreste von gestern Abend entdeckt, da wir vor lauter Müdigkeit vergessen hatten, die Töpfe samt Inhalt affensicher wegzuschließen. "La grande bouffe!", die Schlacht ums Buffet hat begonnen.
Pfeilschnell springen die flinken Diebe aus den umherstehenden Tulpenbäumen, hangeln sich zum großen, reisgefüllten Topf vor und langen beherzt und vor Schadenfreude kreischend hinein. Ältere Affenbrüder und Schwestern wollen ihnen diese Beute jedoch streitig machen und fangen an, unsere Fleischreste wie Steinschleudern zu benutzen. Diese lumpigen Rabauken sind einfach nicht zu stoppen und außerdem scheinen es immer mehr zu werden. Die ersten Piraten entern gerade das Dach des Rotels, während andere über unsere Tische poltern und Stühle umkippen. Offensichtlich benehmen sich auch vierbeinige Teenager wie kleine Terroristen.

Während dieser unangekündigten Varietévorstellung versammeln sich bald alle Rotelianer in den ausgefallensten bis gruseligsten Schlafutensilien und starren wie gebannt dieser Life-Show zu. Rufe nach Popcorn werden laut und sogar Schnappfisch, die in ihrer rosa Unterwäsche neben mir steht, welche sie allerdings auch nicht femininer erscheinen lässt, stupst mich schwach lächelnd an. Dann reicht sie mir ihren silbernen Flachmann rüber, nachdem sie wie üblich vor dem Frühstück einen kräftigen Schluck davon genommen hat. Schnappfisch ist eben ein ganzer Kerl und ich verwildere mittlerweile auch schon!
Nur unser Tropendoc verschläft die gesamte Affenrevue, da er doch tatsächlich kränkelt und Braunchen hat sich im Camp-Klo versteckt, da sie nicht genau weiß, ob diese Affenart nun giftig ist oder nicht.
Was wir jedoch alle nicht bemerkt haben, da unsere ganze Aufmerksamkeit auf die dreisten Meerkatzen gerichtet ist, sehen wir erst nachdem sich Theo zufällig umdreht, weil er sich die Zähne putzen wollte.
Sein gesamter Kommentar über das was er dabei sieht, beläuft sich allerdings auf ein relativ ersticktes: "Äh .... oh!"

Trotz ihrer hünenhaften Größe und dem tonnenschweren Gewicht hört man oftmals ihr Herankommen überhaupt erst in letzter Sekunde. In majestätischer Ruhe betreten nun die Urwaldriesen leise die Bühne.
Vorhang auf für den sanften Goliath des Dschungels. Eine kleine Elefantenherde mit zwei Jungtieren marschiert soeben ins Camp ein und grast friedlich das noch vom Tropenregen frische Grün. Allerdings ist nun höchste Vorsicht geboten. Wenn so eine Elefantenfamilie in Bewegung gerät, dann gibt es absolut nichts, was man ihnen in den Weg stellen könnte.
Vom nahen Luangwa-River hören wir das gewohnte Hippo-Grunzorchester und vorlaute Froschgequake, umrahmt von einer ausgefallenen Krokodildekoration entlang des Flusses, während fleißige Termiten emsig und mit militärischem Drill bereits die weit verstreuten Essensreste um unseren Frühstücksplatz aufräumen.

Nach all den frühen Aufregungen brechen wir nun endgültig unser Lager in Croc Valley ab und begeben uns in nordöstliche Richtung. Allerdings stehen uns neue Probleme bevor. Eigentlich hätten wir heute die Grenze zum Nachbarland Malawi überschreiten sollen und am Abend deren Hauptstadt Lilongwe erreicht, doch derzeit ist die Wirtschaft des kleinen, bitterarmen Landes völlig zusammengebrochen.
Somit ist es nicht mehr möglich offiziell an Devisen zu gelangen, da die Währung so instabil geworden ist, dass sie täglich kippen könnte. Auch Benzin und Diesel kann man nirgendwo mehr in Malawi kaufen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Zwischenstopp in der grenznahen Stadt Chipata einzulegen, um uns dort mit ausreichend LKW-Diesel einzudecken und auf dem nun blühenden Schwarzmarkt teuer Geld zu tauschen.

Die letzte Nacht in Sambia verbringen wir in einem recht außerhalb der Stadt gelegenen Camp.
Noch ausgelaugt von drei beinahe schlaflosen Nächten suchen viele Rotelianer dieses Mal ihre heimelige Schlafstätte in bekannter Vogelnistkastengröße wesentlich eher auf.
Unser taffer Medizinmann legte sich noch vor dem Abendessen all seiner körperlichen und meditativen Kräfte beraubt in seine Koje und bedauert sich vermutlich gerade selbst, da nicht eine einzige Reisegefährtin ihn bemitleiden wollte. Sogar Braunchen nicht, die offensichtlich just den Weg zur Emanzipation eingeschlagen hat. Ich empfehle ihm mit dem Ausdruck größter Besorgnis sich doch einen ortsansässigen und niedergelassenen Woodoo-Master zu nehmen.
Als sollten meine Worte unterstrichen werden, hören wir in weiter Entfernung das tiefe Grollen eines Tropengewitters während die untergehende Sonne ihre letzten Lichtstrahlen ausknippst.
Gute Nacht verrücktes Rotel-Asylantenheim.

1 Kommentar:

  1. Hallo Biggi,
    wirklich wieder top geschrieben und spannend zu lesen. Klingt ja alles recht abenteuerlich und gefährlich, also komm heil zurück ;)
    lg
    Simon

    AntwortenLöschen