"Seele von Afrika"

Samstag, 31. Dezember 2011

29.12.2011 Und der Himmel öffnet sich ...

Erschreckt fahre ich schweißgebadet irgendwann in der Nacht hoch. Es herrschen immer noch Temperaturen um die 30 Grad und ein lautes Geräusch riss mich soeben aus einem dösigen Schlaf heraus. Irgendwie kommt mir allerdings dieser stark hallende Klopfton bekannt vor. Die Hyäne hämmert schon wieder gegen die Schlafwände! Für einen Moment setzen auch tatsächlich alle Schnarcher gleichzeitig aus, gefolgt von einer beinahe unheimlichen Ruhe, um dann Minuten später wieder im Gleichklang einzusetzen. Ich brauche hingegen gefühlte Stunden, um überhaupt in einen erneuten Erholungszustand zu gelangen. Doch nach einer gewissen Zeit wiederholt sich das nächtliche Spektakel. An Schlaf ist nun nicht mehr zu denken und für mich ist klar, dass ich die Hyäne morgen früh zur Strecke bringen werde.

Um 4.30 Uhr quälen sich alle aus ihren verschwitzten Brutkästen heraus, da uns heute zwei Jeepsafaris erwarten. Die erste soll vor Sonnenaufgang beginnen, die zweite wird in der Dämmerung stattfinden.
Der unversöhnlichen Hyäne bläst trotz der ansteigenden Temperaturen sogleich ein kollektiver, äußerst kalter Wind ins Gesicht und sie kann sich glücklich schätzen, wenn sie bei unserem Ausflug nicht irgendeinem magersüchtigen Löwen zum Fraß vorgeworfen wird.
Noch in völliger Dunkelheit versammeln sich draußen alle Reisegefährten, um ein karges Frühstück einzunehmen, da wir mindestens vier Stunden im Dschungel unterwegs sein werden. Doch in diesem Augenblick passiert es:
Der Himmel über dem South Luangwa Nationalpark öffnet sich und ein Tropengewitter gewaltigen Ausmaßes entlädt seine ganze aufgestaute Energie quasi direkt über unserem Frühstücksbuffet.
Der gesamte staubige Krümelkaffee, Pulvermilch und Kakao schwimmen als bunte Melange vom Tisch, das knautschige Pappweißbrot findet zu seiner Teigurgestalt zurück und die offen stehenden Konserven quillen wässrig wie randvolle Regentonnen über. Die gestern Abend noch schnell handgewaschene Wäsche hängt triefend nass auf der Leine und der leuchtend rote Sandboden des Camps verwandelt sich umgehend in eine Landschaft aus tiefen Pfützen und kleinen Seen, die sich beim Betreten wie ein Harzer Moor verhalten.

Ich würde die folgende, frühmorgendliche Jeepsafari im Dschungel einem Überlebenstraining der 'Marine Seagulls' gleichsetzen.
Durch riesige Schlammlöcher kämpfend werden wir schon wieder wie im Schleudergang einer Waschmaschine durchgerüttelt und dennoch erblicken wir dabei eine herrlich vielfältige Fauna und Flora, während uns der warme Tropenregen aus allen Himmelsrichtungen ins Gesicht peitscht. Sogar die heute nur noch sehr seltene und mit rund 500 Exemplaren vor dem Aussterben bedrohte Thornicroft-Giraffe huldigt uns mit ihrem Erscheinen. Lustige Hippos tummeln sich mit ihren Kindern im sich nun füllenden Luangwa-River, während sämtliche Affenfamilien sich zwar über die gehäufte Feuchtigkeit reichlich pikiert verhalten, aber dennoch wie alles andere Wild an der nötigen Abkühlung erfreuen.
Zu guter Letzt entdecken wir etwas abgelegen eine vollkommen entspannte und in sich ruhende Tüpfelhyäne, die sich weder durch die Nässe noch durch einen Haufen verwahrloster Rotelianer in ihrem Schlaf stören lässt!

Gegen Mittag reißt der noch grau verhangene Himmel unmittelbar wieder all seine Pforten auf; dieses Mal jedoch um die gewohnt satten und wärmenden Sonnenstrahlen erneut über Sambia zu schicken, welche rasch die letzten Regenwolken im Nirwana verdampfen lassen. Bereits kurze Zeit später erreichen die Temperaturen ihren Höchststand von gestern, so als wäre nichts gewesen.
Nach ein paar Stunden Rekonvaleszenz starten wir hochmotiviert zu unserer Abend- und Nachtsafari. Leider haben sich trotz des wolkenlosen Himmels und der sich ausbreitenden Hitze die Pistenverhältnisse in keiner Art und Weise verbessert. Aber was solls? Meine Knochen haben in den vergangenen zwei Tagen komplett ihren embrionalen Werdegang noch Mal durchlebt, so dass es auf ein paar zusätzliche blaue Flecken nun auch nicht mehr ankommt.
Und wir werden so belohnt dafür: Neben dichtbehaarten Wasserböcken, die ein wenig an Rentiere erinnern, filigranen Impalas und unzähligen, imposanten Elefanten bestaunen wir ebenso putzige Affengroßfamilien sowie viele verschiedene Vogelarten in den schillernsten Farben.
Zwei Stunden später recken sich in der untergehenden Sonne wie zum Gruße die dickwanstigen Hippos tief grunzend aus dem Lunangwa-River heraus und präsentieren ihr weit aufgerissenes Maul.
Kaum ist die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, legt sich innerhalb von ein paar Minuten die Dunkelheit wie ein schwarzes Tuch über den South Lunagwa Nationalpark und lockt dadurch das nachtaktive Wild hervor. Im Lichtkegel eines starken und von einem farbigen Parkranger während der Fahrt geschwenkten Scheinwerfers schleicht sich ein kleiner, geschmeidiger Mungo davon. Die possierlichen Tierchen sehen aus wie die Miniaturausgabe eines Waschbären und nehmen es dennoch durchaus mit den giftigsten und gefährlichsten Schlangen der Welt auf.
Bei völliger Finsternis knattert der alte Jeep, der sicherlich schon während des Ersten Weltkriegs in Deutsch-Ostafrika benutzt wurde, durch den Dschungel, während mir etliche, undefinierbare Insekten und faustgroße Käfer ins Gesicht klatschen. Zimperlichkeit ist bei einer Rotelreise eh stets ein hässliches Schimpfwort.
Und wer glaubt, dass es nachts im Urwald leise zugeht, der täuscht sich da gewaltig. In dieser morastigen und von Tümpeln übersähten Buschlandschaft veranstalten Tausende von schwer verknallten und hochrolligen Fröschmännchen ein ohrenbetäubendes Quakkonzert, um ihrer auserwählten Liebsten damit zu imponieren. Auch das ständig begleitende, laute Grunzen satter Hippos gehört ebenso mit dazu wie das anmutende Zirpen der immer anwesenden Grillen.

Vollkommen erschöpft erreicht die zerbeulte Gurkentruppe bereits zur vorangeschrittenen Nachtzeit wieder das Camp "Croc Valley".
Zu später Stunde leeren wir ausgehungerten und nun inzwischen arg wortkargen Buschpioniere unsere reisgefüllten Hundenapfschüsseln in bruchsicherer Kunststoffausführung, während der wunderbare Sternenhimmel des Südens für uns leuchtet.
Wirklich alle?
Nun, das ist mir ehrlich gesagt absolut scheißegal.
Ich bin so müde, dass ich die Augen kaum noch aufhalten kann und schon von zähnefletschenden Hyänen träume, die allen Schnarchern, Tropenärzten und Großwildjägern in die aus der Schlafkabine heraushängenden Füße beißt. Danach werden diese durch ein zufällig vorbei fliegendes Raumschiff entführt und mit Braunchen als zusätzliche Geisel auf einen unbekannten Planeten in ein anderes Sonnensystem gebeamt.
Die Sepia plündert die gesamte Camp-Bar, während Schnappfisch die Reise abbricht, um in ein Schweigekloster einzutreten. Theo und Richard wollen sich ab sofort eine gemeinsame Rotel-Doppelschlafkabine teilen und Edeltraut verlässt Eberhard und brennt mit dem zwanzig Jahre jüngeren und gut durchtrainierten Parkranger durch.
Und ich ... ich wache gegen Mitternacht in dem gemütlichen Camp-Barsessel auf und krieche nun in meinen kuscheligen Eichhörnchenkobel, um von meinem geliebten Schatz in Deutschland zu träumen.

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