"Seele von Afrika"

Dienstag, 27. Dezember 2011

26.12.2011 Erste Inventur und ein gestreiftes Camp

Plötzlich und unangekündigt werde ich ... sowie vermutlich auch alle anderen Rotelianer ... mitten in der Nacht wach, als die Hyäne doch tatsächlich mit einer unfassbaren Lautstärke gegen ihre Kabinenwand hämmert, als wolle sie ein ganzes Rudel hungriger Löwen vertreiben. In Wirklichkeit war dieses jedoch nur ein erneuter Ausdruck ihres immer noch gärenden Unmutes allen männlichen Schnarchern gegenüber.

Ein paar Stunden später sitzt die Gurkentruppe dann wieder in trauter Vereintheit beim Outdoor-Breakfast. Die Hyäne beansprucht natürlich einen Tisch für sich allein und der Doc unterbricht mal kurz seine übliche Freizeitbeschäftigung Frauen anzubaggern, wobei er allerdings höchst erfolglos bleibt - außer bei dem Braunchen vielleicht - um sogleich seinem zweiten Hobby zu frönen, nämlich schnorren. Während Theo, ein eingefleischter Single mit einer gehörigen Portion Alterssturheit sich unlängst afrikanischen Geschwindigkeitsdimensionen angepasst hat und erst noch mental verarbeiten muss, dass es jetzt Frühstück gibt, kommt ihm der Großwildjäger bereits vom zweiten Nachschubfassen entgegen.
Mir gefriert das Blut, als ich Braunchens schrille Quäkstimme höre, dass eine Killerameise sie gerade in den Po gebissen hätte und ob der Tropendoc vielleicht ein Gegengift dabei hätte. Nun, ich bin mir ganz sicher, dass er genau so etwas im Gepäck hat. Kai, der stillste und unauffälligste Singlemann nimmt seinen staubigen Pulverkaffee mit dem leckeren Pappweißbrot und der bis zum Jahr 2099 haltbaren Konservenmarmelade dieses Mal ganz woanders ein, während die Sepia grundsätzlich nie frühstückt. Adrian ist mit seiner absolut schweizerischen Gemütlichkeit stets der letzte Teilnehmer dieser romantischen Morgentafel. 
An dieser Stelle muss ich mal erwähnen, dass tatsächlich schon zwei Vegetarier auf Fleisch umgestiegen sind, da wir bis jetzt nur in afrikanischen Ländern unterwegs waren, die zwar etliche Sorten an getrocknetem "Biltong" in allen Tiergeschmacksrichtungen anzubieten haben, aber frisches Obst kaum zu finden ist. Wie denn auch, denn dieses steht überwiegend in den Supermarktregalen in Deutschland! So halte ich mich morgens eben immer an die "Buffet-Dekoration". Selbst die Anzahl der Raucher scheint exponentiell anzusteigen. Nach den ersten überstandenen Strapazen, beschloss bereits der eine oder andere Reisegefährte, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, das einst erfolgreich aufgegebene Rauchen wieder anzufangen.

Und auch der Expeditionsbus passt sich so langsam unserem Äußeren an. Trotz täglichen Fegens versandet er kontinuierlich und beherbergt mittlerweile Unmengen an Wasserkanistern, Mülltüten, Schweißsandalen, Klopapierrollen und Proviantresten. Ebenso lässt der Gesundheitszustand seiner Insassen stetig ein wenig nach. Erste Kreislaufschwächen, schmerzhafte Sonnenbrände, Schrammen und vor allen Dingen blaue Flecken dominieren das Bild. Die Sepia weist von ihrem Sturz aus der Kabine noch ein riesiges Hämatom am Oberarm auf, meine Beine sind oftmals stark angeschwollen und fühlen sich taub an, während wohl kaum noch jemand von uns ohne Rückenprobleme auskommt. Die tägliche und unumgängliche Einnahme von Malariatabletten schlägt zudem vielen auf den Magen. Aber natürlich braucht sich ja niemand zu sorgen, denn schließlich haben wir ja den Arzt unseres Vertauens mit an Bord!

Nach dem Frühstück sind alle startbereit, allerdings nicht unbedingt hochmotiviert, denn heute müssen wir etwa 600 Kilometer durch eine unendliche Buschsteppe zurücklegen. Etwas langsamer als sonst kriechen 17 schlappe Rotelianer in das fahrende Lazarett. Dabei überprüft neuerdings jeder akribisch, ob sein Sitznachbar noch vorhanden ist und zwar bevor wir abfahren.
Wir starten in Richtung Lusaka, Sambias Hauptstadt. Auf dem Weg dorthin überqueren wir in einer schwülen Hitze den Munali-Pass, welcher auf knapp 1.300 Meter Höhe liegt. Dabei frequentieren wir einige Male kleine Orte, die schwarzafrikanischer nicht sein können.
Polizeikontrollen allerorten sind hier üblich, genauso wie die Tatsache, dass jeder vierte Einheimische mit AIDS infiziert ist. Nur wenigen Kindern ist es vergönnt, überhaupt eine Schule besuchen zu können, viele von ihnen leben auf der Straße und die Armut der Bevölkerung ist prägnant.
Ich werde mir just in diesem Moment meines eigenen Wohlstandes bewusst und denke mit einer gewissen Abneigung an die aktuelle weihnachtliche Konsumschlacht in Deutschland.

Spät abends erreichen wir ein mitten im Dschungel gelegenes, einsames Camp kurz vor Lusaka. Noch während wir unseren Rotel aufbauen, spaziert wie selbstverständlich eine große Herde Zebras mit Jungtieren durch unser Lager und grast in aller Seelenruhe in einer gewissen Sichtdistanz. Impalas und Wasserböcke folgen ihnen ein wenig später nach. Entzückt genieße ich diesen Anblick und fühle mich allein dadurch schon wieder reich beschenkt.
Wie das Dorf von Asterix und Obelix sitzen wir abends wieder alle von der langen Fahrt erholt am Lagerfeuer, singen Weihnachtslieder und lauschen dem drohenden Donnergrollen eines sich ankündigenden Tropengewitters.
Wirklich alle?
Nein, die Hyäne fehlt. Aber das ist uns jetzt auch egal. Vermutlich liegt sie bereits in ihrer Schlafkabine und schnarcht.

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