Nach einer mal ausnahmsweise ruhigen Nacht ohne Unterbrechungen sitzen alle entspannt beim Frühstück mit Krümelkaffee und Konservenköstlichkeiten, von dessen Überresten gern auch noch andere Rotelianergenerationen überleben können.
Bewacht werden wir von irgendwelchen fremden Hunden in Ponygröße, die uns seit gestern Abend nicht mehr von der Seite weichen und sich ab und an mit den in Sichtweite grasenden Zebras anlegen. Allerdings haben sie nicht die geringste Chance gegen einen gereizten Zebrahengst, der mit einer ungezügelten Kraft seine Hinterhufe ausschlagen kann.
Kurz nach Sonnenaufgang verlassen wir das schöne Camp und fahren nun in Sambias Hauptstadt. Lusaka ist ein überaus dreckiger und lärmender Ort, wie so viele Großstädte auf der Welt. Die Hitze in der Stadt brennt sich in die Haut ein, denn durch die unzähligen und nach Abgas stinkenden Autos, zerbeulten Buschtaxis und umherlaufenden Menschen staut sich die Wärme in den unübersichtlichen Straßen und wird tausendfach von den ärmlich wirkenden Stein- und Holzwänden reflektiert.
Was sich von außen niemals erahnen ließe, beginnt jedoch plötzlich und unvermutet hinter irgendeiner dieser kahlen Steinwände. Nach einer winzigen Gasse öffnet sich der exorbitante, typische Afrikanermarkt.
Hier kaufen und verkaufen nur Einheimische, denn ein Tourist, welcher nicht ortskundig ist, würde niemals mehr aus diesem riesigen Labyrinth von Gassen herausfinden, die so eng sind, dass zwei Menschen nicht nebeneinander hergehen können. Wer schon einmal die sogenannten 'Souks' in Marokko erlebt hat, der weiß wovon ich rede:
Es ist, als ob man in einen morastigen Tümpel mit zappelnden Kaulquappen eintaucht. Ich folge dunklen und teilweise komplett überdachten schmalen Tretpfaden, zu deren beiden Seiten lückenlos ein Holzverschlag neben dem nächsten steht und aus denen Ware jeglicher Art und Coleur überquillt. Lamentierende und ohne irgendwelche Berührungsangst wimmelnde Menschen wirken hautnah auf jeden Besucher des Marktes ein. Dabei werden Haare geschnitten und frisiert direkt neben heißbruzzelnden Pfannen der heimischen Garküchen; herrlich bunte Stoffe hängen neben frisch geschlachtetem Vieh und orientalisch duftende Gewürzstände versüßen den allerorten vorhandenen Geruch von Müll und gammelnden Fleisches.
Bleibt ein Interessierter stehen, so staut sich sofort der nicht abreißende Menschenstrom und ich muss mich ständig an prallen, dunklen Weiberärschen vorbeischieben und entlangtasten oder der Aufdringlichkeit männlicher Verkäufer erwehren. Weiße kann ich hierbei nirgendwo entdecken.
Während ältere Männer in aller Muße geselligen Brettspielen nachgehen, müssen die Frauen neben ihrem Stand Essen kochen, Lebensmittel heranschaffen, die eigene Ware gewinnbringend verkaufen, obgleich sie oftmals noch mehrere Kinder an ihrem Rockzipfel hängen haben. Wie gesagt, Afrika ist da ziemlich klar strukturiert.    
Dennoch erlebe ich überall Freundlichkeit und liebe Grußworte. Natürlich möchte und muss jeder hier etwas verkaufen, da es seine Existenzgrundlage ist und ich ertappe mich dabei, meine europäische Denkweise längst noch nicht abgelegt zu haben.
Besondere Schwierigkeiten bereitet mir auch noch diese üble Inflationswährung Sambias, da Mathematik sowieso niemals zu meinen Lieblingsfächern in der Schule gehört hatte. Einen Kaffee, der übrigens auch nicht besser als der gewohnte Rotel-Muckefuck schmeckt, mit einem fünfstelligen Betrag zu bezahlen, bedarf noch gewisser Gewöhnung. Ebenso die Tatsache, dass es doch tatsächlich 50.000,- Kwacha-Scheine gibt, dafür aber keine Münzen. Ergo wird überall einfach bei der Geldrückgabe der Betrag auf- oder abgerundet. Mal zu meinem Gunsten, meistens jedoch anders herum. Wahrscheinlich ein rein natürlicher Zufall.
In sengender Hitze führt uns die Fahrt am Nachmittag Richtung Kachalola. 
Von jetzt an erreichen wir die Gebiete Schwarzafrikas, in denen die gefährliche Tsetsefliege heimisch ist. Und gegen sie ist kein Kraut gewachsen. Weder medikamentös noch mit Sprays oder Salben kann man ihr prophylaktisch entgegenwirken. Das einzige Mittel der Wahl ist sie totzuschlagen. Und zwar möglichst bevor sie zugestochen hat, was im Übrigen eine äußerst schmerzhafte Angelegenheit ist.
Nach einer abwechslungsreichen Hügellandschaft, die durchaus viel Buschgrün und unzählige Mangobäume aufweist,  erreichen wir unser Nachtlager. Direkt am Luangwa-River und wieder einsam im Busch gelegen, bauen wir den Rotel bei mittlerweile über 40 Grad im Schatten auf. Unsere Kleidung klebt klitschnass am Körper, doch wir werden ausreichend dafür entschädigt:
Auf einer kleinen Anhöhe ist der Ausblick auf den Luangwa-River atemberaubend, obgleich er nicht den vollen Wasserstand erreicht hat. Und auf der anderen Seite des Stromes sehen wir bereits den Dschungel von Mozambique in seiner unberührten, wilden Schönheit.
Wenn mich jemand fragen würde, wo das Ende der Welt ist, so würde ich sagen, genau da sitze ich in diesem Moment und schreibe meine Eindrücke nieder. 
In unserer Nähe gibt es nur ein paar strohgedeckte Lehmhütten Einheimischer, die heute noch so leben wie einst ihre Urahnen. Ein immer größer werdener Haufen Kinder verfolgt uns mit großen Augen, da sie Weiße sicherlich nur sehr selten zu sehen bekommen. Bis auf die zerrissene Kleidung auf ihrem Leib besitzen diese Kinder sonst kaum etwas, außer ihre ungezügelte Neugierde und Freude. Schulbesuche sind vollkommen undenkbar, so dass sie Analphabeten bleiben werden und sich mit dem, was sie auf dem Feld erwirtschaften können, begnügen müssen.
An dieser Stelle sende ich einen lieben Gruß an irgendeinen Jonas auf dieser weiten und geheimnisvollen Welt. Und ich flüstere ihm blinzelnd zu, dass er sich darüber freuen kann, nach den Weihnachtsferien wieder die Schule besuchen zu dürfen, denn durch sie wirst du mal alle Annehmlichkeiten erreichen können, die du jetzt schon genießt.
Die Dämmerung begleitet die tägliche musikalische Darbietung der fleißigen Grillen und ruft gleichzeitig zum Küchendienst auf. Soll es etwas zu essen geben, so müssen wir natürlich auch alle mithelfen. Meistens erledige ich mit vier oder fünf Reisegefährtinnen gern die Vorarbeit des Gemüseschnippelns, weil es mir unter anderem so auch die rohe Vorspeise sichert. 
Und in der Regel spazieren währenddessen gutgelaunt das Braunchen mit der Hyäne an uns vorbei, welche gerade beste Freundinnen geworden sind und sich stets auf dem Weg zur Dusche befinden. Die Sepia sieht sich außerstande nach dem vierten Weißwein noch unfallfrei ein Messer in die Hand zu nehmen und der Medizingockel erkennt justament durch mystische Schwingungen, dass er nun meditieren muss.
Alle anderen Männer haben schon von Geburt an beginnende Arthritis in den Händen, zumindest beim Kochdienst.
In der Dunkelheit sitzt das ganze gallische Rotel-Dorf wieder gemütlich bei einem Lagerfeuer zusammen und genießt das einfache Mahl, umgeben von den Geräuschen des afrikanischen Busches.
Wirklich alle?
Nun, wie ich hörte, ist der Tropendoc gerade damit beschäftigt dem Braunchen zwei vorbeifliegende Ufos zu zeigen.
Gute Nacht schwarzes, magisches Afrika.
 
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