Heute ist Heiligabend! Das heißt, im Moment ist es noch Heiligmorgen und zwar der verdammt frühe Morgen: Um 4.30 Uhr beginnt der übliche Lärm beim Aufstehen im Rotel, denn noch vor Sonnenaufgang werden wir zu unserer Jeepsafari im Chobe Nationalpark starten. In vollkommener Dunkelheit, um auch ja kein Mückenluder zu wecken, dringen die gewohnten Geräusche des Tütenraschelns, verzweifelten Suchens der eigenen Klamotten, Flüche in jedem erdenklichen Dialekt, Poltern auf der Rampe, Trippeln und Knistern zu meinen Ohren.
In solchen Momenten hätte ich überhaupt kein Problem damit, wenn irgendein vollkommen ausgehungerter, afrikanischer Löwe zwei bis vier meiner lieben Reisegefährtinnen zum Frühstück verschlingen würde.
Nach einer raschen Katzenwäsche verteilen wir uns auf drei offene Jeeps und sind froher Erwartung, was dieser neue Tag uns wohl bescheren würde. Selbst der Großwildjäger ist zuversichtlich gestimmt, obgleich nun auch seine Füße in Verbände eingewickelt sind, dafür aber immerhin in offenen Rote-Kreuz-Sandalen stecken.
Und was soll ich sagen, aber wir wurden nicht enttäuscht!
Noch bevor wir den eigentlichen Chobe Park erreichen, müssen wir unsere Fahrt jäh unterbrechen, da eine ganze Herde von Elefanten die Straße vorrübergehend für sich beansprucht. Erst beim Anblick dieser so majestätischen und edlen Tiere wird einem schlagartig bewusst, wie klein und schwach der Mensch doch ohne seine ganze Technik und den teilweise dekadenten Luxus ist.
Und dieses Gefühl lässt mich auch nicht mehr los, als ich staunend wie ein kleines Kind und ausnahmsweise mal stillschweigend die sprunggewandten Impalas, frechen Paviane, stokeligen Warzenschweine, hochgewachsenen Marabus, edlen Weißkopfseeadler, schleichenden Schakale, grunzenden Flusspferde und lauernden Krokodile sehe. Zum Abschluss dieser beeindruckenden Safari belohnt uns auch noch die Königin des Dschungels mit ihrer werten Anwesenheit: Direkt vor uns ruht in stoischer Gelassenheit eine Löwin.
Apropos: Eine gehörige Portion Gelassenheit legte bei unserer Rückkehr allerdings auch eine ganze Warzenschweinfamilie hin. Unbeeindruckt des unsortierten und stinkenden Haufens Rotelianer, überrollten sie unser Lager und versuchten hinterhältig sich am späten Frühstück zu beteiligen. Sie ließen sich durch rein gar nichts davon abhalten und straften uns mit sturer Nichtbeachtung. Ich möchte jetzt nicht unbedingt behaupten, dass eine Rotte Warzenschweine neben einer wilden Gruppe langsam verwahrlosender Rotelianer kaum noch auffällt, aber Außenstehende könnten diesen Eindruck möglicherweise dennoch dabei erhalten.
Am späten Nachmittag nehmen wir an einer Bootsfahrt auf dem Chobe River teil und ich muss gestehen, dass dieses zu meinen schönsten Erlebnissen gehört, seit dem ich hier in Afrika bin. Zu beiden Seiten des Stromes öffnet sich eine unberührte Wildnis und lässt uns an einer der größten Elefantenpopulationen der Welt teilhaben. Sieben bis neun Herden kann ich vom Boot aus gleichzeitig betrachten, wie sie sich mit den klobigen Hippos vermischen, während vorwitzige Paviane zwischen ihnen herumtollen und pfeilschnelle Impalas an ihnen vorbei laufen. An den Ufern lauern träge riesige Krokodile, die jedoch plötzlich und ohne jegliche Vorwarnung ins Wasser peitschen.
Während wir bei schwülheißen Temperaturen die wunderbare und wilde Artenvielfalt der Natur genießen, befinden wir uns dabei ständig auf der Ländergrenze und können somit gleichzeitig auf der einen Seite Namibia und auf der anderen Seite Botswana betrachten.
Am frühen Abend taucht die untergehende Sonne den breiten Chobe River in rotgoldenes Licht, während wir aus unserem exklusiven Rotel-Plastikgeschirr ein einfaches aber köstliches Weihnachtsmahl zu uns nehmen, welches vom melodischen Grunzen der nahen Hippos begleitet wird. Und ... auch von dem einen oder anderen misslaunigen Mückenweib.
Ausnahmsweise verabschiede ich mich dieses Mal ganz still und leise von diesem Heiligen Abend in Afrika und verbeuge mich vor der großartigen Vielfalt und Schönheit der Natur.
"La nature ici c'est chapeau!"
Frohe Weihnachten.
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