Die vergangenen zwei Tage legten wir bei schwülheißen Temperaturen eine weite, anstrengende Fahrt stets in nordöstliche Richtung durch Tansania zurück. Dabei durchquerten wir das Stammesgebiet der Wahehe, befuhren die unendlich scheinende Trockensavanne, welche mit unzähligen, gewaltigen Affenbrotbäumen gesäumt ist und frequentierten zudem den wunderbaren Mikumi Nationalpark, der uns noch mal mit dem Anblick von Zebras, verschiedenen Antilopenarten, Warzenschweinchen und den majestätischen grauen Riesen beehrte. Niemals vorher sah ich in freier Wildbahn so große Elefantenpopulationen und dennoch sind sie heute nur noch ein Relikt aus vergangenen Zeiten, deren Bestand in beängstigenden Ausmaße geschrumpft ist.
Stets glaubt der Mensch sich die Natur in rücksichtsloser Art und Weise Untertan machen zu dürfen und wird doch eines Tages erkennen müssen, dass auch wir nur klitzekleine "Kaume", wie mein Papa sich stets auszudrücken pflegte, im unendlichen Kreislauf der so vielfältigen und wunderbaren Schöpfung sind.
Wir schlagen noch einmal unser Lager direkt an dem Krokodil besiedelten Great Ruaha Fluss auf. Das Camp ist einfach, einsam gelegen und von herber Schönheit geprägt. Außer uns gibt es nur noch den südafrikanischen Chef dort, namens Darren, der mir erlaubt, seine einzige Stromleiste von der Buschbar zu benutzen und verzichtet dafür auf einige der sowieso spärlichen Leuchtquellen. Strom gibt es ansonsten dort nicht. Nachdem alle meine angeschlagenen und so kurz vor Ende der Expedition erschöpften Gefährten ihre Gemächer in der Ein-Quadratmeter-Ausführung aufsuchten, sitze ich ganz allein in einer herrlich warmen Sommernacht an einer Bar mitten in Schwarzafrika, lausche heimischer Musik und tippe meine Erlebnisse in das kleine Wunderwerk der technisierten Welt aus der ich komme. Mein Netbook und ich sind im Laufe der Reise sowieso zu einer nicht mehr trennbaren Einheit und oftmals zum Gespött der lieben Kameraden geworden. Nachts musste ich es schon gegen traumatische Nashörner verteidigen und tagsüber hetze ich wie eine Verdurstende in der Wüste durch die afrikanische Savanne auf der Suche nach einem Hotspot!
In dieser Nacht bewacht mich gerade der einzige, farbige Angestellte des Camps, namens Albert und wartet in einer unglaublichen Geduld und Muße stillschweigend auf der anderen Seite des Tresens, welcher aus einem Einbaumboot gezimmert wurde. Selbst als der Generator abgeschaltet wird und es kurz nach Mitternacht nirgendwo im Lager mehr Strom gibt, stellt Albert mir eine Kerze hin und wartet höflich. Und immer dann, wenn er mich freundlich anlächelt, erkenne ich auch, wo er gerade steht.
Nun ist es jedoch tatsächlich so weit:
Die zerlumpte und verlotterte Gurkentruppe hat ihr Ziel nach zwanzig Tagen voller Entbehrungen, Krankheiten, Futterneid, Streit und Freude, Konfliktbewältigung und Gemeinschaftsgefüge erreicht. Unser leuchtend roter Expeditionsbus, welcher manchmal Zuchtanstalt, Lazarett und Kriegsschauplatz gleichzeitig war, aber auch Raum bot für ein unglaublich kollektives Zusammenwachsen und so manche Freundschaften und Zusammenhalte neu entstehen ließ, fährt nun wie immer Aufsehen erregend in die pulsierende 4-Millionen-Einwohner-Stadt Dar-es-Salaam ein. Menschen jeglicher Coleur winken uns zu, Kinder schreien unverständliche Worte; Händler, Geschäftsleute und Langfinger vermischen sich im Getümmel und zerbeulte Busse, Autos, Tuk-Tuks, Räder und Mopeds drängeln sich dicht an dicht durch die smogüberlagerte Rush-Hour.
Charly schafft es tatsächlich, uns unbeschadet durch dieses unübersichtliche Gewühl hindurch zu bringen, so dass wir einige Stunden später unseren Endpunkt erreicht haben.
Weit ab der lärmenden Stadt, schlagen wir an einem strahlend weißen Sandstrand direkt am Indischen Ozean das letzte Mal unser Lager auf. Nach 5.000 harten Kilometern auf oftmals geradezu gesundheitsschädlichen Schotter- und Sandpisten durch fünf schwülheiße Länder Zentral- und Ostafrikas verlassen die letzten Ratten sofort das sinkende Rotel-Schiff und stürzen sich in die erfrischenden, wenngleich doch lauwarmen Fluten des weiten Ozeans, dessen rauschende Brandung uns wie Musik in den Ohren klingt.
Bezeichnender Weise bedeutet Dar-es-Salaam übersetzt: "Hafen des Friedens".
Nun, dennoch scheint halt auf Erden kein Paradies perfekt zu sein und der Friede unseres Hafens erweist sich als trügerisch. Nach unserem letzten Frühstück unter freiem Himmel am Strand beginnt nun das elendige Kofferpacken. Verzweifeltes Suchen nach allerletzten, noch sauberen und unbenutzen Wäscheteilen vermischt sich mit freudigen Ausrufen, die verkünden, dass lang vermisste Gegenstände plötzlich wieder zu Tage gefördert werden. Die Hyäne kann es noch gar nicht glauben, dass sie alsbald die einzige sein wird, die im heimatlichen Schlafzimmer schnarcht, Edeltraut freut sich, dass sie Eberhards hocherotische Unterwäsche nicht mehr mit der Hand in Krokodil gefährdeten Flüssen waschen muss, die Sepia hat bereits beim Weinhändler ihres Vertrauens in Süddeutschland zwei Kisten Willkommensschlückchen für den ersten Durst bestellt und Theo und Richard wollen die nächste Rotelreise gemeinsam in einer Doppelkabine buchen. Braunchen fragt schnell noch in der Runde nach, ob sie den Impfpass und ein Visum bei der Einreise in Deutschland braucht und ich freue mich einfach nur auf meinen Schatz. Und auf eine Steckdose mit Strom-Flatline.
Holger-Volker hat in letzter Not noch zwei Wochen Urlaub auf Sansibar drangehängt, die er nach eigenen Aussagen mindestens braucht, um sich von der Gurkentruppe erholen zu können und nur dadurch später der Gesellschaft überhaupt wieder als Arbeitskraft zur Verfügung stehen zu können.
Schnappi behält ihre Pläne wie üblich für sich und wird dieses Geheimnis irgendwann mal mit ins Grab nehmen.
In all dieser Geschäftigkeit ist niemanden aufgefallen, dass unser Hühnerheld gar nicht seinen Hugo-Boss-Koffer packt, welcher immer noch verwaist auf der Laderampe steht.
Doch plötzlich können wir seine Silhouette am Strand erkennen, wie er Schweiß überströmt und mit einem klitschnassen Hawaihemd, welches ihm wie eine zweite Haut am Körper klebt, kreidebleich auf uns zu kommt. Tatsächlich wurde unser Medizinmann soeben am Strand überfallen und mit einem Messer bedroht, was zu einem Verlust seiner Kamera und der teuren Armbanduhr führte.
Wie überall auf der Welt existiert stets das Gute neben dem Bösen. Das wird immer so sein und dennoch ist es wahrscheinlicher in Europa Opfer eines Raubüberfalls zu werden als in den Weiten dieses schönen, schwarzen Kontinents.
Ich bin randvoll mit wundervollen Erlebnissen, exotischen Eindrücken und überschäumenden Emotionen.
Kurzfristige, apokalyptische Weltuntergänge wechselten sich mit freudigen Gefühlsstürmen ab. Eine auf Gedeih und Verderb zusammen gepferchte Gruppe fand zu einer Gemeinschaft, in der letzten Endes jeder den anderen reflektierte und dennoch eine Zusammengehörigkeit entstand. Werte wurden neu definiert und der afrikanische Müßiggang lehrte uns Europäer sich in Geduld üben zu müssen.
Lachende, große Kinderkulleraugen und äußerst hilfsbereite und freundliche Einheimische aller besuchten und durchreisten Länder erinnerten uns stets daran, dass Afrika die Wiege der Menschheit ist und wir alle einst miteinander verwandt waren.
Ich nehme die Wärme und Seele des exotisch anmutenden und in seiner Einfachheit und mystischen Traditionen verwobenen schwarzen Kontinents in meinem Herzen mit, bevor ich wieder in die stressbeladene und geschäftige, heimatliche Gesellschaft zurückkehre.
Hakuna matata!
Genieße das Leben!
Gegen Abend dieses Tages nehmen alle ihre Köfferchen und machen sich fröhlich vereint auf den Weg zum Flughafen.
Wirklich alle ..................................?
Kwaheri, Afrika!
Auf Wiedersehen, Afrika!
Expedition durch Afrika
"Seele von Afrika"
Freitag, 6. Januar 2012
Donnerstag, 5. Januar 2012
03.01.2012 Überirdisches und unterirdisches Leuchten
Dieses Mal treibt mich der morgendliche Harndrang um 5.30 Uhr aus meiner beengenden Schlafheimstätte hinaus und ausnahmsweise mal keine Knistergeräusche. Entweder hat Edeltraut komplett verschlafen oder ihr sind die Plastiktüten für Eberhards schlapprige Unterwäsche ausgegangen. Als ich von dem äußerst widrigen Klosett retour komme, bietet sich mir in der Morgendämmerung jedoch ein ungewöhnliches und wunderbares Schauspiel: Noch weit draußen kehren langsam die malawischen Männer in ihren urigen Einbaumbooten vom nächtlichen Fischfang zurück, während am Schilf bewachsenen Ufer unzählige, wild schnatternde Frauen und Kinder mit Kübeln und Schüsseln in der Hand ihre Ankunft kaum abwarten können.
Nach dem Frühstück schnüren alle Pioniere wie gewohnt ihre roten Stoffbeutelchen wieder zu, verstauen die Leichtmetalltische und Klappstühle und stopfen verderbliche Lebensmittel ins Kühlfach. Doch plötzlich scheint es einen kleinen Tumult zu geben. Die Kameraden zücken ihre Fotoapparate und Videokameras und eilen zur Rückseite des Busses. Verdutzt folge ich ihnen und sehe sogleich das zweite Naturschauspiel des Tages:
Mit einem hochroten Kopf und vor Ärger zusammengekniffenen Lippen fegt doch tatsächlich unser Herr Doktor persönlich die Laderampe mit einem Besen, obwohl sonst eigentlich zu den Auf- und Abbauzeiten des Rotels stets seine Hauptmeditationszeit ist.
Nun, die Reihen hatten sich bereits extrem um den selbstverliebten Hühnerhelden gelichtet. Und auch die Hyäne versucht sich neuerdings kratzfußend in die Gemeinschaft mit einzubringen, indem sie es immerhin schafft eine Gurke zu schälen, während wir in der Zeit zwei riesige Schüsseln mit Tomaten, Zwiebeln, Karotten und Auberginen geschnippelt haben.
Rasch wird jetzt noch die blanke und unter ärztlicher Aufsicht gefegte Rampe unseres kollektiven Schlafzimmers hochgeklappt und meine Gurkentruppe auf derzeitigen Schmusekurs findet sich brav und vollzählig im Expeditionsbus ein.
Wir machen uns auf den Weg zur nicht weit entfernten, kleinen Grenzstation Kaporo. Dort müssen wir zusätzlich zu den üblichen Passformalitäten unseren Impfausweis mit vorzeigen, denn wer keine gültige Gelbfieberimpfung hat, der darf nicht ins Land Tansania einreisen. Außerdem ist wie in Sambia auch hier ein Visum erforderlich. Ab jetzt betreten wir im Übrigen eine neue Zeitzone und müssen somit unsere Uhren um eine Stunde vorstellen, so dass wir Deutschland nun zwei Stunden voraus sind.
In Tansania sprechen die Einheimischen viel weniger Englisch, da die Amtssprache hier Suaheli ist. Die Landschaft ist von reichhaltigen Tee-, Kaffee- und Bananenplantagen geprägt und wird von nahezu begrünten Hochplateaus umsäumt. Auch Papayapalmen, Mangobäume und Avocados sowie die riesigen Baobabs sind ebenso allerorten zu finden wie die großen Eukalyptusbäume, welche ehemals durch weiße Siedler ins Land gebracht wurden.
Und gleichsam wie in Malawi herrscht auch hier eine relativ hohe Bevölkerungsdichte. Das macht sich allein schon dadurch bemerkbar, dass es geradezu lebensgefährlich ist, die unglaublich stark frequentierten Straßen zu betreten. Alle diejenigen, die in diesem Land im Besitz eines motorisierten Gefährtes sind, rasen auf den Pisten in einer affenartigen Geschwindigkeit, als sei der leibhaftige Teufel hinter ihnen her. Gebremst wird dabei offensichtich für absolut niemanden. Schwere Unfälle sind somit vorprogrammiert, so dass wir desöfteren schlimm verunglückte Trucks am Straßenrand liegen sehen. Auch ich hatte heute Mittag während einer Pause verdammtes Glück. Doch das erste Mal überhaupt schrie mich Schnappfisch in ganzen Sätzen an: "Vorsicht, Biggi, der kommt direkt auf dich zu!" und zieht mich mit der Kraft eines austrainierten Bodybuilders an der Schulter zurück.
Danke, Schnappi!
Ihre Kraft ist dabei unglaublich, doch beruflich stählert sie wohl täglich ihre Armmuckis, da sie Physiotherapeutin ist. Wenn Schnappi mal den einen oder anderen Patienten nicht mögen sollte, dann könnte sie ihm locker die Wirbelsäule zusammenfalten oder ihn mit ihrem Schweigen einschläfern.
Doch nur weil die Bewohner Tansanias noch nie etwas von Geschwindigkeitsbeschränkungen gehört haben, gilt das nun nicht für jeden ausländischen Straßenteilnehmer. Charly, unser erstklassiger Fahrer, kann mit unserem klobig großen und absolut nicht zu übersehenden Rotel sowieso keine rasenden Rekorde aufstellen. Als er jedoch um eine Straßenbiegung auf fast freier Landstraße fährt, leuchtet plötzlich ein grelles Licht auf. Ein nicht unattraktiv aussehender Polizist steht mittig auf der Fahrbahn und bedient eigenhändig eine Art Blitzgerät. Anders gesagt, hat er soeben einfach ein Foto von unserem Expeditionsbus gemacht. Nun blitzen seine strahlend weiße Zähne im Sonnenlicht und ein breites Grinsen ob der fetten Beute erfüllt sein tief schwarzes Gesicht. Am Straßenrand sitzen seine Kollegen von der Tansania Polizei, teilweise mit Gewehren bewaffnet und machen ebenfalls freundliche Gesichter. Wer hier allerdings jetzt das Sagen hat, dürfte unbestritten sein.
Charly begeht zudem den Fauxpas seinen Führerschein aus der Hand zu geben. Danach nutzte auch alles Lamentieren, Abstreiten und Betteln nichts mehr. Den Führerschein gibt es nur gegen Bares wieder oder der Rotel muss augenblicklich stillgelegt werden. Nachdem etliche Scheine ihren Besitzer wechselten, konnten die Gesetzmäßigkeiten wieder als gerade gerückt angesehen werden und wir dürfen unsere Fahrt fortsetzen. Vermutlich werden nun die einzelnen Proviantportionen rationalisiert und die kommenden Tage nur noch aus "Millipup", dem afrikanischen ultraklebrigen und nach überhaupt nix schmeckenden Maisbrei bestehen.
Am Abend erreichen wir in der Nähe von Iringa in einem Wiederaufforstungsgebiet, welches sich im ehemaligen Siedlerhochland der Weißen befindet, unser Camp. Zwar einsam gelegen, aber mit einem unglaublich idyllischen Reiz behaftet, finden wir einen Ort vor, an dem die Duschen mit Holz und einem uralten Ofen wie zur Kolonialzeit beheizt werden. Strom gibt es hier nicht, dafür aber Toiletten in kleinen Backsteinhäuschen, bei denen die Exkremente in ungeahnteTiefen fallen. Das erste Mal überhaupt treffen wir dafür auf andere Globetrotter, die überwiegend aus Australien, England und Südafrika kommen. Und es tut so gut, mal mit erfrischend neuen Menschen reden zu können, die man nicht die vergangenen zwanzig Tage und Nächte in einfach jeder Lebenslage gesehen, gerochen und gehört hat.
Die Nachtluft kühlt sich drastisch ab, was uns vielleicht einen erholsameren Schlaf versprechen könnte. Auf dem Weg zur sogenannten Bar, welches ein grob gehauener, halbrunder Verschlag mit einer innengelegenen, offenen Feuerstelle ist, die jedoch eine wilde Romantik und Wärme ausstrahlt, biege ich noch mal rasch zu den Plumpsklos ab. Mit meiner kleinen Taschenlampe zwischen den Zähnen werfe ich die Holztür zu und überlege noch, wie tief diese Grube wohl dort unter meinem entblößten Po sein mag, als mir tolpatschiger Weise doch echt die brennende Lampe genau da hinein fällt! Scheiße aber auch! Der positive Effekt daran ist, dass ich nun ziemlich genau die Tiefe mit satten drei Metern abschätzen kann.
Seufzend tappse ich mich zur Buschbar vor und erzähle den dort anwesenden Reisegefährten von meinem kleinen Malheur. Allerdings spricht sich der Vorfall quasi rasend schnell und auch gleich noch weltweit herum, denn auch die anderen Campbesucher aus Australien, England, Südafrika und sogar der Schweiz kommen verdutzt in die Bar und berichten belustigt von einem einzigartigen und äußerst ungewöhnlichen Klo, welches aus unterirdischen Tiefen heraus Licht spendet.
Das beleuchtete Scheißhaus wird der aktuelle Renner in diesem Camp. Nahezu jeder möchte es besuchen, so dass bereits lange Schlangen davor entstehen. Auch meine lieben Reisegefährten informieren mich sozusagen stündlich darüber, ob die Batterien noch halten und wie sich die begehrte Aussicht im Lichtstrahl modifiziert.
Eine Rotel-Expeditionstour allerdings ohne verfügbare Taschenlampe zu bestreiten, kommt praktisch einem Himmelfahrtskommando gleich. Ich hingegen habe aber das unglaubliche Glück, dass mein weitsichtiger Schatz mich mit seinem wertvollen Weihnachtsgeschenk genau davor bewahrt hat.
Danke, Liebling!
Nach dem Frühstück schnüren alle Pioniere wie gewohnt ihre roten Stoffbeutelchen wieder zu, verstauen die Leichtmetalltische und Klappstühle und stopfen verderbliche Lebensmittel ins Kühlfach. Doch plötzlich scheint es einen kleinen Tumult zu geben. Die Kameraden zücken ihre Fotoapparate und Videokameras und eilen zur Rückseite des Busses. Verdutzt folge ich ihnen und sehe sogleich das zweite Naturschauspiel des Tages:
Mit einem hochroten Kopf und vor Ärger zusammengekniffenen Lippen fegt doch tatsächlich unser Herr Doktor persönlich die Laderampe mit einem Besen, obwohl sonst eigentlich zu den Auf- und Abbauzeiten des Rotels stets seine Hauptmeditationszeit ist.
Nun, die Reihen hatten sich bereits extrem um den selbstverliebten Hühnerhelden gelichtet. Und auch die Hyäne versucht sich neuerdings kratzfußend in die Gemeinschaft mit einzubringen, indem sie es immerhin schafft eine Gurke zu schälen, während wir in der Zeit zwei riesige Schüsseln mit Tomaten, Zwiebeln, Karotten und Auberginen geschnippelt haben.
Rasch wird jetzt noch die blanke und unter ärztlicher Aufsicht gefegte Rampe unseres kollektiven Schlafzimmers hochgeklappt und meine Gurkentruppe auf derzeitigen Schmusekurs findet sich brav und vollzählig im Expeditionsbus ein.
Wir machen uns auf den Weg zur nicht weit entfernten, kleinen Grenzstation Kaporo. Dort müssen wir zusätzlich zu den üblichen Passformalitäten unseren Impfausweis mit vorzeigen, denn wer keine gültige Gelbfieberimpfung hat, der darf nicht ins Land Tansania einreisen. Außerdem ist wie in Sambia auch hier ein Visum erforderlich. Ab jetzt betreten wir im Übrigen eine neue Zeitzone und müssen somit unsere Uhren um eine Stunde vorstellen, so dass wir Deutschland nun zwei Stunden voraus sind.
In Tansania sprechen die Einheimischen viel weniger Englisch, da die Amtssprache hier Suaheli ist. Die Landschaft ist von reichhaltigen Tee-, Kaffee- und Bananenplantagen geprägt und wird von nahezu begrünten Hochplateaus umsäumt. Auch Papayapalmen, Mangobäume und Avocados sowie die riesigen Baobabs sind ebenso allerorten zu finden wie die großen Eukalyptusbäume, welche ehemals durch weiße Siedler ins Land gebracht wurden.
Und gleichsam wie in Malawi herrscht auch hier eine relativ hohe Bevölkerungsdichte. Das macht sich allein schon dadurch bemerkbar, dass es geradezu lebensgefährlich ist, die unglaublich stark frequentierten Straßen zu betreten. Alle diejenigen, die in diesem Land im Besitz eines motorisierten Gefährtes sind, rasen auf den Pisten in einer affenartigen Geschwindigkeit, als sei der leibhaftige Teufel hinter ihnen her. Gebremst wird dabei offensichtich für absolut niemanden. Schwere Unfälle sind somit vorprogrammiert, so dass wir desöfteren schlimm verunglückte Trucks am Straßenrand liegen sehen. Auch ich hatte heute Mittag während einer Pause verdammtes Glück. Doch das erste Mal überhaupt schrie mich Schnappfisch in ganzen Sätzen an: "Vorsicht, Biggi, der kommt direkt auf dich zu!" und zieht mich mit der Kraft eines austrainierten Bodybuilders an der Schulter zurück.
Danke, Schnappi!
Ihre Kraft ist dabei unglaublich, doch beruflich stählert sie wohl täglich ihre Armmuckis, da sie Physiotherapeutin ist. Wenn Schnappi mal den einen oder anderen Patienten nicht mögen sollte, dann könnte sie ihm locker die Wirbelsäule zusammenfalten oder ihn mit ihrem Schweigen einschläfern.
Doch nur weil die Bewohner Tansanias noch nie etwas von Geschwindigkeitsbeschränkungen gehört haben, gilt das nun nicht für jeden ausländischen Straßenteilnehmer. Charly, unser erstklassiger Fahrer, kann mit unserem klobig großen und absolut nicht zu übersehenden Rotel sowieso keine rasenden Rekorde aufstellen. Als er jedoch um eine Straßenbiegung auf fast freier Landstraße fährt, leuchtet plötzlich ein grelles Licht auf. Ein nicht unattraktiv aussehender Polizist steht mittig auf der Fahrbahn und bedient eigenhändig eine Art Blitzgerät. Anders gesagt, hat er soeben einfach ein Foto von unserem Expeditionsbus gemacht. Nun blitzen seine strahlend weiße Zähne im Sonnenlicht und ein breites Grinsen ob der fetten Beute erfüllt sein tief schwarzes Gesicht. Am Straßenrand sitzen seine Kollegen von der Tansania Polizei, teilweise mit Gewehren bewaffnet und machen ebenfalls freundliche Gesichter. Wer hier allerdings jetzt das Sagen hat, dürfte unbestritten sein.
Charly begeht zudem den Fauxpas seinen Führerschein aus der Hand zu geben. Danach nutzte auch alles Lamentieren, Abstreiten und Betteln nichts mehr. Den Führerschein gibt es nur gegen Bares wieder oder der Rotel muss augenblicklich stillgelegt werden. Nachdem etliche Scheine ihren Besitzer wechselten, konnten die Gesetzmäßigkeiten wieder als gerade gerückt angesehen werden und wir dürfen unsere Fahrt fortsetzen. Vermutlich werden nun die einzelnen Proviantportionen rationalisiert und die kommenden Tage nur noch aus "Millipup", dem afrikanischen ultraklebrigen und nach überhaupt nix schmeckenden Maisbrei bestehen.
Am Abend erreichen wir in der Nähe von Iringa in einem Wiederaufforstungsgebiet, welches sich im ehemaligen Siedlerhochland der Weißen befindet, unser Camp. Zwar einsam gelegen, aber mit einem unglaublich idyllischen Reiz behaftet, finden wir einen Ort vor, an dem die Duschen mit Holz und einem uralten Ofen wie zur Kolonialzeit beheizt werden. Strom gibt es hier nicht, dafür aber Toiletten in kleinen Backsteinhäuschen, bei denen die Exkremente in ungeahnteTiefen fallen. Das erste Mal überhaupt treffen wir dafür auf andere Globetrotter, die überwiegend aus Australien, England und Südafrika kommen. Und es tut so gut, mal mit erfrischend neuen Menschen reden zu können, die man nicht die vergangenen zwanzig Tage und Nächte in einfach jeder Lebenslage gesehen, gerochen und gehört hat.
Die Nachtluft kühlt sich drastisch ab, was uns vielleicht einen erholsameren Schlaf versprechen könnte. Auf dem Weg zur sogenannten Bar, welches ein grob gehauener, halbrunder Verschlag mit einer innengelegenen, offenen Feuerstelle ist, die jedoch eine wilde Romantik und Wärme ausstrahlt, biege ich noch mal rasch zu den Plumpsklos ab. Mit meiner kleinen Taschenlampe zwischen den Zähnen werfe ich die Holztür zu und überlege noch, wie tief diese Grube wohl dort unter meinem entblößten Po sein mag, als mir tolpatschiger Weise doch echt die brennende Lampe genau da hinein fällt! Scheiße aber auch! Der positive Effekt daran ist, dass ich nun ziemlich genau die Tiefe mit satten drei Metern abschätzen kann.
Seufzend tappse ich mich zur Buschbar vor und erzähle den dort anwesenden Reisegefährten von meinem kleinen Malheur. Allerdings spricht sich der Vorfall quasi rasend schnell und auch gleich noch weltweit herum, denn auch die anderen Campbesucher aus Australien, England, Südafrika und sogar der Schweiz kommen verdutzt in die Bar und berichten belustigt von einem einzigartigen und äußerst ungewöhnlichen Klo, welches aus unterirdischen Tiefen heraus Licht spendet.
Das beleuchtete Scheißhaus wird der aktuelle Renner in diesem Camp. Nahezu jeder möchte es besuchen, so dass bereits lange Schlangen davor entstehen. Auch meine lieben Reisegefährten informieren mich sozusagen stündlich darüber, ob die Batterien noch halten und wie sich die begehrte Aussicht im Lichtstrahl modifiziert.
Eine Rotel-Expeditionstour allerdings ohne verfügbare Taschenlampe zu bestreiten, kommt praktisch einem Himmelfahrtskommando gleich. Ich hingegen habe aber das unglaubliche Glück, dass mein weitsichtiger Schatz mich mit seinem wertvollen Weihnachtsgeschenk genau davor bewahrt hat.
Danke, Liebling!
Mittwoch, 4. Januar 2012
02.01.2012 Werte im Leben ...
Als ich nach einer kurzen, lauwarmen Nacht aus meinem Vogelnest krabbele, spiegeln sich gerade die zarten Pastellfarben des frühen Sonnenaufgangs im ruhigen Malawi-See wider. Der letzte übriggebliebene, nächtliche Krachmacher hat es nun endlich aufgegeben, seiner Liebsten mit dem machohaften Gequake zu imponieren.
Soweit mein Auge reicht sehe ich einen herrlich weißen Sandstrand, an dem lediglich nur ein paar vereinzelte, strohgedeckte Überdachungen Schatten spenden und unter denen einige wenige Rattanliegen stehen. Kein dekadentes, mehrstöckiges Clubhotel versperrt die Sicht auf das klare Wasser und kein Tourist rennt in der frühen Morgenstunde mit einem übergroßen Saunahandtuch zu strategisch günstigen Strandliegen, um diese im Sturm zu annektieren.
Nur ein paar Einheimische sitzen im warmen Sand und bewitzeln vermutlich gerade die zerlumpten Verrückten, die zusammengepfercht wie in einem Viehtransport mit einem roten Expeditionsbus durch das Land rumpeln und des nachts in kleine Raubtierkäfige weggeschlossen werden.
Wie blöd muss man eigentlich sein?!
Malawi ist tatsächlich noch wie eine kostbare Perle in einer unentdeckten Austernmuschel. Überhaupt stelle ich fest, dass wir während unserer gesamten Reise kaum Weiße, geschweige denn Touristen gesehen haben. Doch diese wunderbare Naturlandschaft kann dennoch nicht die dramatische Armut des Landes überdecken. Trotzdem begegnen uns seine Menschen stets freundlich lächelnd und friedlich in ihrer Mentalität, selbstbewusst und schön in ihrer äußeren Erscheinung.
Ich erlebe immer wieder herzlich lachende Gesichter sobald ich ihnen zuwinke oder sie nach ihren Namen befrage. Dabei leben sie ganz offensichtlich im Hier und Jetzt, obgleich die durchschnittliche Lebenserwartung im tiefen Schwarzafrika lediglich bei knapp 40 Jahren liegt.
Tuberkulose, Malaria und HIV-Infektionen, gepaart mit der allerorts vorhandenen Unhygiene und medizinischen Unterversorgung fordern ihre Opfer.
Mir wird bewusst, dass meine Lebensuhr möglicherweise ihre letzten Takte schlagen würde, wenn ich nicht den Vorteil meines privilegierten Geburtsortes im zivilisierten, progressiven Europa genießen könnte. Vielmehr bin ich sogar in der Lage, die einfach strukturierte, von alten Traditionen geprägte und für uns so exotische Welt dieser genügsamen Menschen besuchen zu dürfen.
Reisen verändern stets die Wertigkeit der Dinge bei mir. So ist es beispielsweise für einen Rotelianer von ungeheurer Wichtigkeit, stets seinen leuchtend roten Notfallbeutel griffbereit zu haben. Er enthält alles, was man auf einer solchen Urlaubsreise der selbstgewählten Leiden braucht:
Zwei bruchsichere Plastikschüsseln in verschiedenen Größenausführungen, einen Kunststoffbecher, ein Bestecksortiment sogar in der Deluxe-Metallausführung, ein Brettchen und in der Regel ein gestreiftes und nur am ersten Tag noch sauberes Geschirrhandtuch. Alles wird praktisch im besagten Stoffbeutelchen mit Namensaufschrift verstaut, welcher auch noch etwas Platz für eine medikamentöse Prophylaxe und Verbandsmaterial übrig lässt. Mehr braucht ein echter Rotel-Pionier nicht!
Tägliches Duschen, Zähneputzen oder gar Wäschewechseln gilt in Insiderkreisen als verpönt und wird von der Außenwelt vermutlich völlig überbewertet. Hier im Busch oder besser gesagt bei der Rotel-Expediton, da zählen einfach andere Dinge!
Als die Gurkentruppe sich am ersten Tag kennenlernte, da begegneten wir uns alle noch gestriegelt, faltenfrei und an sämtlichen Körperregion rasiert. Man hielt noch den gewohnt großen Sicherheitsabstand zueinander und Höflichkeitsfloskeln wie "bitte", "danke" oder gar "nach dir" sprangen verbal mit einem Lächeln auf den Lippen hin und her. Schuhe wurden anstandsmäßig vor dem Betreten des Rotels abgeputzt und die männlichen Reisegefährten erkannte man noch an einem rosafarbenen Gesicht ohne eine einzige Bartstoppel. Gestärkte, blütenweiße und nach Parfum duftende Blusen wurden ordentlich neben gebügelte Hemden an die kollektive Kleiderstange gehängt und die Koffer standen fein säuberlich aufgereiht nebeneinander.
Nun, das ändert sich jedoch im Verlauf der Reise.
Nach unserer nun beinahe drei Wochen andauernden Fahrt durch bis dato vier Länder Zentral- und Ostafrikas finden die Dinge des Lebens zu einer neuen Wertigkeit. Seine Mitreisenden erkennt man heute mehr am Geruch oder an den mannigfaltigen Schnarchgeräuschen. Sämtliche männliche Rotelianer haben das Rasieren mittlerweile aufgegeben und sehen durchweg eher wie Robinson Crusoe aus, während einige Rotelianerweibchen inzwischen BHs für ein überflüssiges Übel halten. Die Schamgrenze und die europäische Intimdistanz ist bereits gegen Null gesunken und der Umgangston teilweise rauher geworden. Dennoch hat uns gerade jede neue Extremsituation zu einer Gemeinschaft zusammen geschweißt, bei der es vollkommen egal ist, ob du nun Arzt bist und einen Porsche vor deiner Haustür stehen hast oder als Schulsekretärin, Krankenschwester oder Handwerker deinen Lebensunterhalt bestreiten musst. Hier sind wir alle gleich!
Nach unserem königlichen Frühstück am Strand des Malawi-Sees packen alle Gefährten ihre roten Stoffbeutelchen zusammen und bauen das Lager ab. Heute führt uns die Fahrt über eine wunderschöne Panoramastraße stets entlang des riesigen Malawi-Sees nach Karonga, ein kleines Örtchen nahe der Grenze zu Tansania, die wir morgen früh überschreiten werden.
Am späten Nachmittag erreichen wir unser Camp, welches ein letztes Mal wieder direkt am schönen Malawi-See gelegen ist. Unzählige Fischerboote, die stets lediglich aus einem einzigen Baumstamm heraus geschält wurden, säumen den Strand. Einheimische Kinder baden, spielen und toben im See herum, während ihre Mütter die Wäsche noch wie vor hunderten von Jahren mühselig mit der Hand waschen. Ihre Männer werden spät in der Nacht gemeinsam zu ihrem Fischfang hinausfahren und erst in der Morgendämmerung mit einem erhofften, reichhaltigen Fang zurückkehren.
Dieses Camp ist sehr einfach gehalten. Es gibt kein Licht oder Vorhänge bei den Duschen, welche auch nur über kaltes, tröpfelndes Wasser verfügen. Die Toiletten sind verdreckt und auch nicht nach Geschlecht gekennzeichnet. Das nützte uns bis dato sowieso nie etwas, da sich Theo und Richard regelmäßig in den Damenduschen verlaufen hatten. Auch der Medizingockel ist desöfteren mit den einfachsten Geschlechtspiktogrammen überfordert. An diesem einsamen Ort in dem noch vollkommen unbekannten Malawi gibt es sonst weiter gar nichts. Nur einen Haufen streunender Rotelianer und afrikanischen Müßiggang.
Während wir zu später Stunde bei Taschenlampenlicht auf unseren wackligen Klappstühlchen zusammen sitzen, zieht Holger-Volker plötzlich sein Smartphone aus der Tasche und ruft in die Runde, ob sich jemand einen Musiktitel wünschen möchte.
Oh ja! Ich habe da sofort einen speziellen Wunsch. Unser Mann für alle Fälle hat sogar einen Minilautsprecher dabei, den er an sein Handy anschließt. In vollkommener Dunkelheit und ungewohnter Stille lauschen wir einträchtig der tiefen, melodischen Stimme von Barry White und seinem unvergessenen Song: "You are my one, my last and my everything."
Für mich hat dieses Lied genau in diesem Moment und an diesem Ort einen unbezahlbaren Wert!
Soweit mein Auge reicht sehe ich einen herrlich weißen Sandstrand, an dem lediglich nur ein paar vereinzelte, strohgedeckte Überdachungen Schatten spenden und unter denen einige wenige Rattanliegen stehen. Kein dekadentes, mehrstöckiges Clubhotel versperrt die Sicht auf das klare Wasser und kein Tourist rennt in der frühen Morgenstunde mit einem übergroßen Saunahandtuch zu strategisch günstigen Strandliegen, um diese im Sturm zu annektieren.
Nur ein paar Einheimische sitzen im warmen Sand und bewitzeln vermutlich gerade die zerlumpten Verrückten, die zusammengepfercht wie in einem Viehtransport mit einem roten Expeditionsbus durch das Land rumpeln und des nachts in kleine Raubtierkäfige weggeschlossen werden.
Wie blöd muss man eigentlich sein?!
Malawi ist tatsächlich noch wie eine kostbare Perle in einer unentdeckten Austernmuschel. Überhaupt stelle ich fest, dass wir während unserer gesamten Reise kaum Weiße, geschweige denn Touristen gesehen haben. Doch diese wunderbare Naturlandschaft kann dennoch nicht die dramatische Armut des Landes überdecken. Trotzdem begegnen uns seine Menschen stets freundlich lächelnd und friedlich in ihrer Mentalität, selbstbewusst und schön in ihrer äußeren Erscheinung.
Ich erlebe immer wieder herzlich lachende Gesichter sobald ich ihnen zuwinke oder sie nach ihren Namen befrage. Dabei leben sie ganz offensichtlich im Hier und Jetzt, obgleich die durchschnittliche Lebenserwartung im tiefen Schwarzafrika lediglich bei knapp 40 Jahren liegt.
Tuberkulose, Malaria und HIV-Infektionen, gepaart mit der allerorts vorhandenen Unhygiene und medizinischen Unterversorgung fordern ihre Opfer.
Mir wird bewusst, dass meine Lebensuhr möglicherweise ihre letzten Takte schlagen würde, wenn ich nicht den Vorteil meines privilegierten Geburtsortes im zivilisierten, progressiven Europa genießen könnte. Vielmehr bin ich sogar in der Lage, die einfach strukturierte, von alten Traditionen geprägte und für uns so exotische Welt dieser genügsamen Menschen besuchen zu dürfen.
Reisen verändern stets die Wertigkeit der Dinge bei mir. So ist es beispielsweise für einen Rotelianer von ungeheurer Wichtigkeit, stets seinen leuchtend roten Notfallbeutel griffbereit zu haben. Er enthält alles, was man auf einer solchen Urlaubsreise der selbstgewählten Leiden braucht:
Zwei bruchsichere Plastikschüsseln in verschiedenen Größenausführungen, einen Kunststoffbecher, ein Bestecksortiment sogar in der Deluxe-Metallausführung, ein Brettchen und in der Regel ein gestreiftes und nur am ersten Tag noch sauberes Geschirrhandtuch. Alles wird praktisch im besagten Stoffbeutelchen mit Namensaufschrift verstaut, welcher auch noch etwas Platz für eine medikamentöse Prophylaxe und Verbandsmaterial übrig lässt. Mehr braucht ein echter Rotel-Pionier nicht!
Tägliches Duschen, Zähneputzen oder gar Wäschewechseln gilt in Insiderkreisen als verpönt und wird von der Außenwelt vermutlich völlig überbewertet. Hier im Busch oder besser gesagt bei der Rotel-Expediton, da zählen einfach andere Dinge!
Als die Gurkentruppe sich am ersten Tag kennenlernte, da begegneten wir uns alle noch gestriegelt, faltenfrei und an sämtlichen Körperregion rasiert. Man hielt noch den gewohnt großen Sicherheitsabstand zueinander und Höflichkeitsfloskeln wie "bitte", "danke" oder gar "nach dir" sprangen verbal mit einem Lächeln auf den Lippen hin und her. Schuhe wurden anstandsmäßig vor dem Betreten des Rotels abgeputzt und die männlichen Reisegefährten erkannte man noch an einem rosafarbenen Gesicht ohne eine einzige Bartstoppel. Gestärkte, blütenweiße und nach Parfum duftende Blusen wurden ordentlich neben gebügelte Hemden an die kollektive Kleiderstange gehängt und die Koffer standen fein säuberlich aufgereiht nebeneinander.
Nun, das ändert sich jedoch im Verlauf der Reise.
Nach unserer nun beinahe drei Wochen andauernden Fahrt durch bis dato vier Länder Zentral- und Ostafrikas finden die Dinge des Lebens zu einer neuen Wertigkeit. Seine Mitreisenden erkennt man heute mehr am Geruch oder an den mannigfaltigen Schnarchgeräuschen. Sämtliche männliche Rotelianer haben das Rasieren mittlerweile aufgegeben und sehen durchweg eher wie Robinson Crusoe aus, während einige Rotelianerweibchen inzwischen BHs für ein überflüssiges Übel halten. Die Schamgrenze und die europäische Intimdistanz ist bereits gegen Null gesunken und der Umgangston teilweise rauher geworden. Dennoch hat uns gerade jede neue Extremsituation zu einer Gemeinschaft zusammen geschweißt, bei der es vollkommen egal ist, ob du nun Arzt bist und einen Porsche vor deiner Haustür stehen hast oder als Schulsekretärin, Krankenschwester oder Handwerker deinen Lebensunterhalt bestreiten musst. Hier sind wir alle gleich!
Nach unserem königlichen Frühstück am Strand des Malawi-Sees packen alle Gefährten ihre roten Stoffbeutelchen zusammen und bauen das Lager ab. Heute führt uns die Fahrt über eine wunderschöne Panoramastraße stets entlang des riesigen Malawi-Sees nach Karonga, ein kleines Örtchen nahe der Grenze zu Tansania, die wir morgen früh überschreiten werden.
Am späten Nachmittag erreichen wir unser Camp, welches ein letztes Mal wieder direkt am schönen Malawi-See gelegen ist. Unzählige Fischerboote, die stets lediglich aus einem einzigen Baumstamm heraus geschält wurden, säumen den Strand. Einheimische Kinder baden, spielen und toben im See herum, während ihre Mütter die Wäsche noch wie vor hunderten von Jahren mühselig mit der Hand waschen. Ihre Männer werden spät in der Nacht gemeinsam zu ihrem Fischfang hinausfahren und erst in der Morgendämmerung mit einem erhofften, reichhaltigen Fang zurückkehren.
Dieses Camp ist sehr einfach gehalten. Es gibt kein Licht oder Vorhänge bei den Duschen, welche auch nur über kaltes, tröpfelndes Wasser verfügen. Die Toiletten sind verdreckt und auch nicht nach Geschlecht gekennzeichnet. Das nützte uns bis dato sowieso nie etwas, da sich Theo und Richard regelmäßig in den Damenduschen verlaufen hatten. Auch der Medizingockel ist desöfteren mit den einfachsten Geschlechtspiktogrammen überfordert. An diesem einsamen Ort in dem noch vollkommen unbekannten Malawi gibt es sonst weiter gar nichts. Nur einen Haufen streunender Rotelianer und afrikanischen Müßiggang.
Während wir zu später Stunde bei Taschenlampenlicht auf unseren wackligen Klappstühlchen zusammen sitzen, zieht Holger-Volker plötzlich sein Smartphone aus der Tasche und ruft in die Runde, ob sich jemand einen Musiktitel wünschen möchte.
Oh ja! Ich habe da sofort einen speziellen Wunsch. Unser Mann für alle Fälle hat sogar einen Minilautsprecher dabei, den er an sein Handy anschließt. In vollkommener Dunkelheit und ungewohnter Stille lauschen wir einträchtig der tiefen, melodischen Stimme von Barry White und seinem unvergessenen Song: "You are my one, my last and my everything."
Für mich hat dieses Lied genau in diesem Moment und an diesem Ort einen unbezahlbaren Wert!
Montag, 2. Januar 2012
01.01.2012 Der erste Mensch und Götterdämmerung
Welcher gottverdammte Idiot hat eigentlich seine gesamten Klamotten in Plastiktüten gepackt, anstatt sie einfach so in den Koffer zu schmeißen? Das laute Rascheln und Knistern um halb sechs Uhr morgens veranlasst mich nun doch die Augen aufzuschlagen und meinem Wolfsrudel ein fröhliches "Happy New Year" entgegen zu rufen. Sofort quiekt es aus Braunchens Kabine schrill heraus: "Ach, Schätzele, isch dasch liebele von dir. A guats Neies!" Mein Blutstrom gerät augenblicklich schockgefrostet ins Stocken. Schwäbischer Dialekt noch vor dem Aufstehen in der Tonlage einer außer Kontrolle geratenen Feuerwehrsirene ist absolut gesundheitsschädlich. Andere Rudelmitglieder sind währenddessen noch gar nicht in der Lage überhaupt zu sprechen. Edeltraut beschäftigt sich lieber damit, Eberhards schlabbrige Unterhosen, welche in anderen Ländern wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses eingezogen worden wären, in einzelne Knistertütchen zu packen und diese mit farblich markierten Wochentagen zu beschriften. Der Großwildjäger ist bereits vor einer Stunde aufgestanden, weil er dringend auf's Klo musste und sucht seitdem vermutlich den Rückweg zum Rotel. El toro medicus schnarcht noch in der Kabine über mir, während die Hyäne blitzschnell die Gelegenheit nutzt, um wie üblich als erstes die beste Dusche zu belagern. Immerhin wirft die Sepia in der allgemeinen Runde die Frage auf, ob wir aus diesem Anlass das ganze gleich mal mit einem Sektchen begrüßen sollten und Theo kräht verschlafen aus der untersten Etage, über welches Jahr wir denn eigentlich reden.
Seufzend richte ich mich in meinem mit Stauwärme angereicherten Eichkaterkobel auf und nestele mich durch das Moskitonetz. Nun steht mir wieder wie jedes Jahr der große Moment bevor. Bereits seit meiner frühesten Kindheit spiele ich mit meiner lieben Mutter zu diesem Zeitpunkt stets das gleiche Spiel: So wie der erste Mensch aussieht, den man am Neujahrsmorgen erblickt, so wird das kommende Jahr werden. Allerdings darf es sich dabei nicht um ein Familienmitglied handeln. Während ich noch über mögliche Fluchtwege aus dem kleinen Schlafkabinenfenster in Bullaugengröße nachdenke, sehe ich draußen Schnappfisch in einem ausgeleiherten Shirt mit "Anarchie für alle" Aufdruck versehen, wie sie mit der Miene des Steinbeißers aus der "Unendlichen Geschichte" gerade ihren Flachmann auffüllt.
Nun gut. So schlimm kann es dann ja nicht mehr werden. Todesmutig reiße ich den roten Vorhang zu meinen Füßen auf und starre in den Vorraum, der von nebeneinander gestapelten Koffern und Taschen und überall herumliegenden, miefigen Schuhen gesäumt ist. An einer parallel zu den Schlafkabinen verlaufenden Kleiderstange hängen von allen Reisegefährten verschiedene Wäscheteile bunt und dreckig sowie vollkommen unsortiert darüber. Nasse Handtücher, klamme Hosen, zerknitterte Hemden und auch benutzte Unterwäsche finden hin und wieder versehentlich neue Besitzer. Erst kürzlich habe ich nach drei Tagen meine schwarze, dreiviertellange Hose von Theo wiederbekommen, nachdem er feststellte, dass es sich dabei nicht um seine vermisste Shorts handelte.
Und dann sehe ich ihn, den ersten Menschen im Jahr 2012 direkt vor meiner Kabine, quasi so, wie die Natur ihn geschaffen hat, stehen.
Hektisch mit den Armen rudernd, wartet der just genesene Eberhard darauf, dass Edeltraut ihm seine Unterhose für den heutigen Tag zuweist. Verdammt!
In der Kalahari-Wüste zu ertrinken wäre wohl wahrscheinlicher gewesen, als am Neujahrsmorgen auf einen halbwegs normalen Menschen in dieser Gurkentruppe zu treffen. Wie immer wird einem aber auch rein gar nichs im Leben geschenkt.
Die ersten fleißigen Hände reißen bereits die Deckel der äußerst gefragten Konservenmarmelade ab sowie des exquisiten Muckefuck-Kaffees mit der pulverisierten Milch. Tische werden gerückt, Stühle ausgeklappt, Erdnussbutter und Käsecreme liebevoll auf dem Buffet dekoriert, während die hungrige Meute schon um ihre Futternäpfe schleicht.
Vielleicht sollte Rotel-Tours die im Preis enthaltene Halbpension einfach mal mit Astronautennahrung bestreiten. Dann müssten sie nur einen Sack Pillen für drei Wochen Afrikaexpedition mitnehmen und könnten dort, wo das Kühlfach untergebracht ist, eine Erlebnis-Doppelkabine für Paare einrichten.
Als ich gerade den verklumpten Krümelkaffee in meine Plastiktasse mit Leopardenaufdruck kratze, klatscht mir ein riesiger Wassertropfen aus direkter Fallrichtung vom Himmel mit hinein.
Scheiße aber auch! Alarmstufe rot.
Innerhalb von Sekunden verdunkelt sich der gesamte Horizont, ein heftiger Windstoß fegt bereits die Milchdose vom Tisch und ein ohrenbetäubender Donnerschlag kündigt die unbarmherzige Naturgewalt an.
Regentropfen, so groß wie Hühnereier stürzen mit einer Wucht von oben herab, als hätte Petrus persönlich die Himmelspforten geöffnet. Blitze zucken grellleuchtend aus den rabenschwarzen, dicken Wolken heraus und verjüngen sich in unzähligen Verzweigungen gen Mutter Erde, um ihre ungezügelte Energie endlich entladen zu können.
Eiligst versuchen wir zu retten, was eben zu retten ist.
Schlussendlich sitzen 17 triefend nasse und wie geprügelte Hunde aussehende Rotelianer im verschlammten Expeditionsbus und kratzen aus ihren versandeten Näpfen klebrige Weißbrotklumpen mit einer durch den Dreck gestrudelten Käsecreme und Marmeladenhäufchen. Ich halte mich an mehrere Matschbananen, die ich aus einer tiefen Pfütze gezogen hatte und schlürfe einen immerhin heißen Muckefuck dazu. Während unser Großwildjäger als einziger von uns jederzeit auf solche Wetterverhältnisse eingerichtet ist, da ich ihn fast noch nie ohne seinen Safarihut und Ganzkörperanzug gesehen habe und den er vermutlich auch nachts in seiner Koje nicht ablegt, stehen Richard bereits die Tränen in den Augen. Schließlich hatte er gestern stundenlang mit Wäschewaschen zugebracht und heute sieht er nun damit eher aus wie ein Wildschwein, welches frisch aus seiner Suhle gestiegen ist. Theo fragt das Braunchen warum es eigentlich in Afrika regnet, aber selbst nach sehr, sehr langem Überlegen und Auswägen können sich beide keinen Reim darauf machen.
Unsere heutige Fahrt führt uns stets in Ufernähe des drittgrößten Sees in Afrika, dem Malawi-See, entlang. Er ist mit seinem Längenmaß von über 500 Kilometern beinahe genauso lang wie das gesamte Land und weist zudem eine Breite von satten 80 Kilometern auf, so dass es oftmals gar nicht möglich ist, die gegenüber liegende Seite zu erkennen. In weiter Ferne, mittig über dem von mannigfaltigen Buntbarschen besiedelten See, steigen eigenartige, dunkle Rauchsäulen auf, die teilweise erschreckende Ausmaße annehmen. Es handelt sich dabei um Myriaden von Fliegen, die in monströsen Schwärmen wie Phoenix aus der Asche von der Wasseroberfläche empor steigen.
Mittlerweile vertreibt die sich erneut durchsetzende Sonne die letzten Regenwolken und ein strahlend blauer Himmel lacht uns geradezu aus, da durch die schnell ansteigende Hitze zwar innerhalb kürzester Zeit alles wieder getrocknet ist, aber keineswegs sauber. Unser versandeter Schmuddelbus sieht aus, als wäre der gesamte Sambesi dort einmal durchgeflossen und hätte uns als Strandgut zurück gelassen.
Shit happens.
Wir hätten ja auch drei Wochen Mallorca All-Inclusive-Cluburlaub buchen können und uns dort mit dusseligen Bändchen am Arm über Spülflecken am Longdrinkglas aufregen können.
Noch am frühen Nachmittag erreichen wir das Camp Chinteche, welches unmittelbar am Malawi-See liegt. Und erst jetzt offenbart sich uns ein atemberaubender Anblick einer Naturkostbarkeit, die mehr Süßwasserfischarten aufweist, als jeder andere See der Erde. Kristallklares Wasser in türkisfarbenen Nuancen bricht sich in seichten Wellen an einem feinen, weißen Sandstrand, der im reflektierenden Sonnenlicht glitzert.
Ich fühle mich wie Robinson Crusoe und bin mir sicher das Paradies auf Erden gefunden zu haben.
Ausnahmslos alle verdreckten und versüfften Rotelianer werfen ihre muffige Kleidung von sich und stürzen sich augenblicklich in die lauwarmen Fluten. Was für eine Entschädigung für das morgendliche Dilemma.
Plantschend freue ich mich wie ein kleines Kind und bedaure lediglich, dass ich diese Glücksgefühle nicht mit meinem Freund teilen kann. Immer wieder hüpfe und tauche ich in diesem klaren Wasser, denn ich bin auf der Suche nach etwas ganz Bestimmten. Er muss sich ganz glatt anfühlen, Hosentaschengröße haben und in der Sonne in allen Regenbogenfarben funkeln.
Und dann finde ich ihn. Einen perlmuttfarbenen, durch das Wasser glattgeschliffenen Stein, der die Wärme und Seele Afrikas durch Jahrmillionen in seinem Inneren gespeichert hat.
Er ist ein Geschenk für einen Menschen, dessen Wärme und Liebe in meinem Herzen verankert ist.
Sonntag, 1. Januar 2012
31.12.2011 Wenn dich das Frühstück noch ansieht und andere Todesfälle
Mit einem Ruck wache ich am noch erfrischend kühlen Morgen auf. Ein Nashorn hat das Ladekabel meines Netbooks gefressen und sich dann mit seinem ganzen Gewicht eines Schaufelradbaggers auf meinen kleinen Laptop fallen lassen. Dieser hat nun die Form eines hauchdünnen Crépes angenommen und würde ohne weiteres in jeden DIN A-4 Briefumschlag passen.
Ein Traum! Erleichtert sinke ich in mein muffiges Kopfkissen zurück und atme tief durch.
Sogleich holt mich das beginnende Ruckeln, Kratzen und lärmende Tütenrascheln meiner 16 nun ebenfalls erwachenden Bettgenossen in die Realität zurück.
A new day was born. Der letzte Tag in diesem Jahr.
Kathrin, unsere erfrischend unzimperliche Afrikaexpertin und Reiseleiterin lässt jedoch keinerlei Sentimentalität auf Grund des nahenden Jahreswechsels aufkommen und präsentiert uns zum Frühstück eine große Schüssel mit merkwürdig schraubenartig aussehender Gebilde tierischer Herkunft, deren starrer Blick glanzlos nach vor gerichtet ist. Getreu ihrer gewohnten Devise "... so schnell stirbt man nicht!", haben wir heute früh ergo die Wahl zwischen frisch gebratener Riesenraupen oder praktisch gar nichts.
Holger-Volker entpuppt sich dabei als hartgesottener Einzelkrieger und schmiert sich mit versteinerter Miene irgendein afrikanisches Fettgemisch in ranzig gelber Färbung auf sein schlabbriges Weißbrot. Darauf verteilt er rote und grüne Konservenmarmelade in expressionistischer Ausführung, drückt sodann dieses Kunstwerk mit einer dicken Scheibe angeschimmelten Käse zwischen die Brotporen und platziert liebevoll drei Raupenzombies auf ihre letzte Ruhestätte. In deren Mitte legt er vorsichtig die tägliche, leuchtend orangerote Malariatablette.
Und beißt hinein.
Ein ganz normales Frühstück eines ganz normalen Rotelianers eben.
Edeltraut kämpft sogleich mit einem aufkommenden Würgereiz, Schnappfisch setzt ihren Flachmann gar nicht mehr von den Lippen ab und Braunchen schießen die Tränen in die Augen, während der hartgesottene Terminator von Tropendoc kurz vor einer Ohnmacht steht.
Theo wundert sich noch darüber, warum es heute eigentlich angebrannte Erdnussflips zum Frühstück gibt und Richard möchte gern wieder nach Hause fliegen. Ich betone lautstark, dass es ja wohl viel schlimmer sei, ein durch Massentierhaltung und mit Antibiotika vollgepumptes Quälrind oder schwer pathologisches Schwein genussvoll in Deutschland zu verspeisen und sich dann in Afrika über eine gegrillte Raupe zu pikieren, die bis dato eine absolut glückliche Kindheit erlebt hatte.
Wir bestatten die verbliebenen Raupenleichen im Müllsack und brechen unser Lager ab.
Die stetig steigenden Temperaturen scheinen bereits die Vorboten von Sambias Nachbarland Malawi zu sein, welches sich selbst als "das warme Herz Afrikas" bezeichnet und in das wir nun einreisen.
Zwar sieht der Grenzübergang relativ unspektakulär aus, wird jedoch von unzähligen Schwarzgeldhändlern belagert, welche äußerst aufdringlich versuchen, ihre Devisen gewinnbringend loszuwerden. Mein Reisepass erhält einen neuen Stempel und wir müssen uns schon wieder an eine andere Währung gewöhnen.
Die Landschaft wirkt im Gegensatz zu Sambia wesentlich grüner und hügelliger und weist vor allen Dingen erheblich mehr Einwohner als sein Nachbarstaat auf. Plötzlich säumen die Sand- und Schotterstraßen Menschen über Menschen, die mit tiefschwarzen, freundlichen Gesichtern und in bunte Stoffe gehüllt, uns lächelnd zuwinken.
Als wir Malawis Hauptstadt Lilongwe erreichen, fühle ich mich stark an meine Indienreise erinnert, auf Grund des nicht abreißen wollenden Menschenstroms. Allerorten wuseln Kinder, Mütter, Greise und geschäftige Händler um uns herum. Männer im Müßiggang prägen das Stadtbild ebenso wie geschmackvoll gekleidete, meist prallbrüstige Frauen jeden Alters, die zudem stets einen Po so groß wie die Weltkugel aufweisen.
Aus diesem Grund müssen wir immer wieder Theos Kinnlade hochklappen und ihn hinter uns herziehen, damit er den Anschluss an die Gurkentruppe nicht verliert.
Aber das pulsierende Leben kann dennoch nicht die prikäre Lage des Landes verbergen. Kilometerlange Autoschlangen reihen sich am Straßenrand vor Tankstellen entlang, während die Preise für Lebensmittel und einfaches Trinkwasser minütlich ansteigen.
Unsere Fahrt führt uns weiter durch das kleine, schmale Land vorbei an Manniokstauden, Mangobäumen und Zuckerrohrfeldern sowie an unzähligen Dörfern, aus denen schreiend und winkend Kinder hinter unserem ungewöhnlichen, rotleuchtenden Gefährt herlaufen.
Am frühen Abend erreichen wir Salima, ein kleines Städtchen am gewaltigen Malawi-See, in dessen Nähe wir an der Senga Bay, direkt am Ufer dieses wunderschönen und berühmten Binnensees unser Lager in der sich herabsenkenden Dämmerung aufschlagen.
Die letzte Nacht des Jahres 2011 ist angebrochen und präsentiert sich uns in einer schwülheißen und kaum erträglichen Luft. Zur Feier des Tages schmeißt Charly einen alten, rostigen Grill an, welcher mit Kudusteaks und Burenbratwurst bestückt wird. Ich bin mittlerweile die einzig übriggebliebene Vegetarierin und bekomme stattdessen gebratene Auberginenscheiben.
Allerdings sitzt zu vorangeschrittener Stunde nur noch eine recht geschrumpfte Gruppe tapferer Afrikapioniere zum Silvesterschmaus zusammen, da nach 15 entbehrungsreichen, anstrengenden, auf Gedeih und Verderb zusammengepferchten und schier unerträglich heißen Tagen erhebliche Verluste gemeldet werden müssen.
Edeltrauts Magen hat sich immer noch nicht von der morgendlichen Raupenorgie erholt; Schnappfisch hat sich für ein paar Stunden aufs Klo abgemeldet und der Großwildjäger hat sich neben seiner Besorgnis erregenden Beinverletzung nun auch noch eine schwere Gastritis zugezogen. Der ebenfalls leidende und von sämtlichen Frauen missachtete Medizingockel heult sich bereits vereinsamt in sein miefendes Kojenkissen und möchte nicht mehr gestört werden.
Doch plötzlich hallen gellende Frauenschreie aus der sich in der Nähe befindlichen Herrentoilette heraus. Anfangs können wir uns darauf keinen Reim machen, doch dann erkenne ich an der Frauengestalt in der Dunkelheit, dass es sich dabei um Edeltraut handelt. Erschrocken brülle ich den Männern zu, dass etwas mit Eberhard passiert sein muss und laufe los. Der schweigsame, muskulöse Kai überholt mich und ist mit Adrian als erstes vor Ort. Die beiden haben einen schweißüberströmten, schlaffen und scheinbar unbeweglichen Eberhard in ihrer Mitte und tragen ihn auf eine eiligst aus einer Kabine heraus gezerrte Matratze. Totenbleich und keines Wortes mehr fähig folgt ihnen Edeltraut. Sofort werden nasse Tücher organisiert und dem an einem Kreislaufkollaps zusammengebrochenen Eberhard Luft verschafft. Zum ersten Mal funktioniert die Gurkentruppe tadellos und ohne unnötige Hysterie. Einige Reisegefährten hatten sich währenddessen zwar laut rufend auf die Suche nach unserem eigentlich darauf spezialisierten Tropendoc gemacht, brachen das Vorhaben allerdings erfolglos ab, nachdem Eberhard wieder ansprechbar war.
Wie sich später herausstellte, verpennte doch tatsächlich unser Halbgott in derzeit Dreckig-Weiß in unmittelbarer Nähe den gesamten Vorfall in seinem selbst gewählten Rotel-Schlafkabinen-Refugium.
Ich marschiere nun mit dem letzten verbleibenen und noch halbwegs gesunden Rest von fünf, sechs Expeditionsgefährten mit Rotwein, Amarulalikör und blauen Weintrauben bewappnet zum Strand des still ruhenden Malawisees hinunter. Dort lassen wir uns ebenfalls vollkommen erschöpft auf einsam herumstehende Plastikgartenstühle fallen und genießen den beruhigenden Blick auf den riesigen See.
Die auf dem Kopf stehende Mondsichel spiegelt sich auf der glatten Wasseroberfläche, während auf der anderen, weit entfernten Uferseite bunte Lichter lustig auf und ab wippen.
Eine Stunde eher als in Deutschland fallen wir uns schließlich um Mitternacht gegenseitig in die Arme mit in der Gewissheit, dass es im soeben frisch angebrochenen und noch jungfräulichen Jahr 2012 alles nur noch besser werden kann.
Wie üblich verbleiben nur Holger-Volker, Adrian und ich als letztes übrig und genießen die afrikanische Ruhe trotz der Silvesternacht. Ein bescheidenes Feuerwerk aus weiter Ferne blinkt und glitzert zu uns herüber, begleitet von einem mystisch wirkenden und immer wieder auftretenden Wetterleuchten. Um 1.00 Uhr morgens hebe ich nochmal den abgenutzten und zerkratzten Rotel-Plastikbecher hoch und proste still lächelnd meinem über alles geliebten Schatz im kalten Deutschland zu und möchte ihm damit sagen:
Die wirklich wichtigen Dinge im Leben sind gar keine Dinge ... und Liebe bedarf manchmal keiner Worte. Ich liebe dich!
Müde schleichen wir letzten drei Mohikaner zu unserem Eine-Millionen-Sterne-Hotel, während Holger-Volker noch bemerkt, dass das Wetterleuchten direkt auf uns zu kommt.
Samstag, 31. Dezember 2011
30.12.2011 Auf der Urwaldbühne und Einreiseschwierigkeiten
Wir können unser Glück kaum fassen, denn heute dürfen alle eine halbe Stunde länger schlafen, da wir 'Croc Valley' erst gegen 9.30 Uhr verlassen werden. Die grausame Realität holt uns jedoch zu gewohnt früher Stunde wieder ein. Noch vor Sonnenaufgang schrecke ich durch ein lautes Poltern und Klirren aus dem Schlaf hoch. Auch andere Rotelianer werden dadurch wach und versuchen so wie ich dieses Geräusch zu orten.
Plötzlich rumpelt es oben auf dem Busdach und schrille Schreie hallen durch den dämmernden Morgen.
Affentheater!
Die dreisten Makaken haben unsere Reis- und Fleischreste von gestern Abend entdeckt, da wir vor lauter Müdigkeit vergessen hatten, die Töpfe samt Inhalt affensicher wegzuschließen. "La grande bouffe!", die Schlacht ums Buffet hat begonnen.
Pfeilschnell springen die flinken Diebe aus den umherstehenden Tulpenbäumen, hangeln sich zum großen, reisgefüllten Topf vor und langen beherzt und vor Schadenfreude kreischend hinein. Ältere Affenbrüder und Schwestern wollen ihnen diese Beute jedoch streitig machen und fangen an, unsere Fleischreste wie Steinschleudern zu benutzen. Diese lumpigen Rabauken sind einfach nicht zu stoppen und außerdem scheinen es immer mehr zu werden. Die ersten Piraten entern gerade das Dach des Rotels, während andere über unsere Tische poltern und Stühle umkippen. Offensichtlich benehmen sich auch vierbeinige Teenager wie kleine Terroristen.
Während dieser unangekündigten Varietévorstellung versammeln sich bald alle Rotelianer in den ausgefallensten bis gruseligsten Schlafutensilien und starren wie gebannt dieser Life-Show zu. Rufe nach Popcorn werden laut und sogar Schnappfisch, die in ihrer rosa Unterwäsche neben mir steht, welche sie allerdings auch nicht femininer erscheinen lässt, stupst mich schwach lächelnd an. Dann reicht sie mir ihren silbernen Flachmann rüber, nachdem sie wie üblich vor dem Frühstück einen kräftigen Schluck davon genommen hat. Schnappfisch ist eben ein ganzer Kerl und ich verwildere mittlerweile auch schon!
Nur unser Tropendoc verschläft die gesamte Affenrevue, da er doch tatsächlich kränkelt und Braunchen hat sich im Camp-Klo versteckt, da sie nicht genau weiß, ob diese Affenart nun giftig ist oder nicht.
Was wir jedoch alle nicht bemerkt haben, da unsere ganze Aufmerksamkeit auf die dreisten Meerkatzen gerichtet ist, sehen wir erst nachdem sich Theo zufällig umdreht, weil er sich die Zähne putzen wollte.
Sein gesamter Kommentar über das was er dabei sieht, beläuft sich allerdings auf ein relativ ersticktes: "Äh .... oh!"
Trotz ihrer hünenhaften Größe und dem tonnenschweren Gewicht hört man oftmals ihr Herankommen überhaupt erst in letzter Sekunde. In majestätischer Ruhe betreten nun die Urwaldriesen leise die Bühne.
Vorhang auf für den sanften Goliath des Dschungels. Eine kleine Elefantenherde mit zwei Jungtieren marschiert soeben ins Camp ein und grast friedlich das noch vom Tropenregen frische Grün. Allerdings ist nun höchste Vorsicht geboten. Wenn so eine Elefantenfamilie in Bewegung gerät, dann gibt es absolut nichts, was man ihnen in den Weg stellen könnte.
Vom nahen Luangwa-River hören wir das gewohnte Hippo-Grunzorchester und vorlaute Froschgequake, umrahmt von einer ausgefallenen Krokodildekoration entlang des Flusses, während fleißige Termiten emsig und mit militärischem Drill bereits die weit verstreuten Essensreste um unseren Frühstücksplatz aufräumen.
Nach all den frühen Aufregungen brechen wir nun endgültig unser Lager in Croc Valley ab und begeben uns in nordöstliche Richtung. Allerdings stehen uns neue Probleme bevor. Eigentlich hätten wir heute die Grenze zum Nachbarland Malawi überschreiten sollen und am Abend deren Hauptstadt Lilongwe erreicht, doch derzeit ist die Wirtschaft des kleinen, bitterarmen Landes völlig zusammengebrochen.
Somit ist es nicht mehr möglich offiziell an Devisen zu gelangen, da die Währung so instabil geworden ist, dass sie täglich kippen könnte. Auch Benzin und Diesel kann man nirgendwo mehr in Malawi kaufen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Zwischenstopp in der grenznahen Stadt Chipata einzulegen, um uns dort mit ausreichend LKW-Diesel einzudecken und auf dem nun blühenden Schwarzmarkt teuer Geld zu tauschen.
Die letzte Nacht in Sambia verbringen wir in einem recht außerhalb der Stadt gelegenen Camp.
Noch ausgelaugt von drei beinahe schlaflosen Nächten suchen viele Rotelianer dieses Mal ihre heimelige Schlafstätte in bekannter Vogelnistkastengröße wesentlich eher auf.
Unser taffer Medizinmann legte sich noch vor dem Abendessen all seiner körperlichen und meditativen Kräfte beraubt in seine Koje und bedauert sich vermutlich gerade selbst, da nicht eine einzige Reisegefährtin ihn bemitleiden wollte. Sogar Braunchen nicht, die offensichtlich just den Weg zur Emanzipation eingeschlagen hat. Ich empfehle ihm mit dem Ausdruck größter Besorgnis sich doch einen ortsansässigen und niedergelassenen Woodoo-Master zu nehmen.
Als sollten meine Worte unterstrichen werden, hören wir in weiter Entfernung das tiefe Grollen eines Tropengewitters während die untergehende Sonne ihre letzten Lichtstrahlen ausknippst.
Gute Nacht verrücktes Rotel-Asylantenheim.
Plötzlich rumpelt es oben auf dem Busdach und schrille Schreie hallen durch den dämmernden Morgen.
Affentheater!
Die dreisten Makaken haben unsere Reis- und Fleischreste von gestern Abend entdeckt, da wir vor lauter Müdigkeit vergessen hatten, die Töpfe samt Inhalt affensicher wegzuschließen. "La grande bouffe!", die Schlacht ums Buffet hat begonnen.
Pfeilschnell springen die flinken Diebe aus den umherstehenden Tulpenbäumen, hangeln sich zum großen, reisgefüllten Topf vor und langen beherzt und vor Schadenfreude kreischend hinein. Ältere Affenbrüder und Schwestern wollen ihnen diese Beute jedoch streitig machen und fangen an, unsere Fleischreste wie Steinschleudern zu benutzen. Diese lumpigen Rabauken sind einfach nicht zu stoppen und außerdem scheinen es immer mehr zu werden. Die ersten Piraten entern gerade das Dach des Rotels, während andere über unsere Tische poltern und Stühle umkippen. Offensichtlich benehmen sich auch vierbeinige Teenager wie kleine Terroristen.
Während dieser unangekündigten Varietévorstellung versammeln sich bald alle Rotelianer in den ausgefallensten bis gruseligsten Schlafutensilien und starren wie gebannt dieser Life-Show zu. Rufe nach Popcorn werden laut und sogar Schnappfisch, die in ihrer rosa Unterwäsche neben mir steht, welche sie allerdings auch nicht femininer erscheinen lässt, stupst mich schwach lächelnd an. Dann reicht sie mir ihren silbernen Flachmann rüber, nachdem sie wie üblich vor dem Frühstück einen kräftigen Schluck davon genommen hat. Schnappfisch ist eben ein ganzer Kerl und ich verwildere mittlerweile auch schon!
Nur unser Tropendoc verschläft die gesamte Affenrevue, da er doch tatsächlich kränkelt und Braunchen hat sich im Camp-Klo versteckt, da sie nicht genau weiß, ob diese Affenart nun giftig ist oder nicht.
Was wir jedoch alle nicht bemerkt haben, da unsere ganze Aufmerksamkeit auf die dreisten Meerkatzen gerichtet ist, sehen wir erst nachdem sich Theo zufällig umdreht, weil er sich die Zähne putzen wollte.
Sein gesamter Kommentar über das was er dabei sieht, beläuft sich allerdings auf ein relativ ersticktes: "Äh .... oh!"
Trotz ihrer hünenhaften Größe und dem tonnenschweren Gewicht hört man oftmals ihr Herankommen überhaupt erst in letzter Sekunde. In majestätischer Ruhe betreten nun die Urwaldriesen leise die Bühne.
Vorhang auf für den sanften Goliath des Dschungels. Eine kleine Elefantenherde mit zwei Jungtieren marschiert soeben ins Camp ein und grast friedlich das noch vom Tropenregen frische Grün. Allerdings ist nun höchste Vorsicht geboten. Wenn so eine Elefantenfamilie in Bewegung gerät, dann gibt es absolut nichts, was man ihnen in den Weg stellen könnte.
Vom nahen Luangwa-River hören wir das gewohnte Hippo-Grunzorchester und vorlaute Froschgequake, umrahmt von einer ausgefallenen Krokodildekoration entlang des Flusses, während fleißige Termiten emsig und mit militärischem Drill bereits die weit verstreuten Essensreste um unseren Frühstücksplatz aufräumen.
Nach all den frühen Aufregungen brechen wir nun endgültig unser Lager in Croc Valley ab und begeben uns in nordöstliche Richtung. Allerdings stehen uns neue Probleme bevor. Eigentlich hätten wir heute die Grenze zum Nachbarland Malawi überschreiten sollen und am Abend deren Hauptstadt Lilongwe erreicht, doch derzeit ist die Wirtschaft des kleinen, bitterarmen Landes völlig zusammengebrochen.
Somit ist es nicht mehr möglich offiziell an Devisen zu gelangen, da die Währung so instabil geworden ist, dass sie täglich kippen könnte. Auch Benzin und Diesel kann man nirgendwo mehr in Malawi kaufen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Zwischenstopp in der grenznahen Stadt Chipata einzulegen, um uns dort mit ausreichend LKW-Diesel einzudecken und auf dem nun blühenden Schwarzmarkt teuer Geld zu tauschen.
Die letzte Nacht in Sambia verbringen wir in einem recht außerhalb der Stadt gelegenen Camp.
Noch ausgelaugt von drei beinahe schlaflosen Nächten suchen viele Rotelianer dieses Mal ihre heimelige Schlafstätte in bekannter Vogelnistkastengröße wesentlich eher auf.
Unser taffer Medizinmann legte sich noch vor dem Abendessen all seiner körperlichen und meditativen Kräfte beraubt in seine Koje und bedauert sich vermutlich gerade selbst, da nicht eine einzige Reisegefährtin ihn bemitleiden wollte. Sogar Braunchen nicht, die offensichtlich just den Weg zur Emanzipation eingeschlagen hat. Ich empfehle ihm mit dem Ausdruck größter Besorgnis sich doch einen ortsansässigen und niedergelassenen Woodoo-Master zu nehmen.
Als sollten meine Worte unterstrichen werden, hören wir in weiter Entfernung das tiefe Grollen eines Tropengewitters während die untergehende Sonne ihre letzten Lichtstrahlen ausknippst.
Gute Nacht verrücktes Rotel-Asylantenheim.
29.12.2011 Und der Himmel öffnet sich ...
Erschreckt fahre ich schweißgebadet irgendwann in der Nacht hoch. Es herrschen immer noch Temperaturen um die 30 Grad und ein lautes Geräusch riss mich soeben aus einem dösigen Schlaf heraus. Irgendwie kommt mir allerdings dieser stark hallende Klopfton bekannt vor. Die Hyäne hämmert schon wieder gegen die Schlafwände! Für einen Moment setzen auch tatsächlich alle Schnarcher gleichzeitig aus, gefolgt von einer beinahe unheimlichen Ruhe, um dann Minuten später wieder im Gleichklang einzusetzen. Ich brauche hingegen gefühlte Stunden, um überhaupt in einen erneuten Erholungszustand zu gelangen. Doch nach einer gewissen Zeit wiederholt sich das nächtliche Spektakel. An Schlaf ist nun nicht mehr zu denken und für mich ist klar, dass ich die Hyäne morgen früh zur Strecke bringen werde.
Um 4.30 Uhr quälen sich alle aus ihren verschwitzten Brutkästen heraus, da uns heute zwei Jeepsafaris erwarten. Die erste soll vor Sonnenaufgang beginnen, die zweite wird in der Dämmerung stattfinden.
Der unversöhnlichen Hyäne bläst trotz der ansteigenden Temperaturen sogleich ein kollektiver, äußerst kalter Wind ins Gesicht und sie kann sich glücklich schätzen, wenn sie bei unserem Ausflug nicht irgendeinem magersüchtigen Löwen zum Fraß vorgeworfen wird.
Noch in völliger Dunkelheit versammeln sich draußen alle Reisegefährten, um ein karges Frühstück einzunehmen, da wir mindestens vier Stunden im Dschungel unterwegs sein werden. Doch in diesem Augenblick passiert es:
Der Himmel über dem South Luangwa Nationalpark öffnet sich und ein Tropengewitter gewaltigen Ausmaßes entlädt seine ganze aufgestaute Energie quasi direkt über unserem Frühstücksbuffet.
Der gesamte staubige Krümelkaffee, Pulvermilch und Kakao schwimmen als bunte Melange vom Tisch, das knautschige Pappweißbrot findet zu seiner Teigurgestalt zurück und die offen stehenden Konserven quillen wässrig wie randvolle Regentonnen über. Die gestern Abend noch schnell handgewaschene Wäsche hängt triefend nass auf der Leine und der leuchtend rote Sandboden des Camps verwandelt sich umgehend in eine Landschaft aus tiefen Pfützen und kleinen Seen, die sich beim Betreten wie ein Harzer Moor verhalten.
Ich würde die folgende, frühmorgendliche Jeepsafari im Dschungel einem Überlebenstraining der 'Marine Seagulls' gleichsetzen.
Durch riesige Schlammlöcher kämpfend werden wir schon wieder wie im Schleudergang einer Waschmaschine durchgerüttelt und dennoch erblicken wir dabei eine herrlich vielfältige Fauna und Flora, während uns der warme Tropenregen aus allen Himmelsrichtungen ins Gesicht peitscht. Sogar die heute nur noch sehr seltene und mit rund 500 Exemplaren vor dem Aussterben bedrohte Thornicroft-Giraffe huldigt uns mit ihrem Erscheinen. Lustige Hippos tummeln sich mit ihren Kindern im sich nun füllenden Luangwa-River, während sämtliche Affenfamilien sich zwar über die gehäufte Feuchtigkeit reichlich pikiert verhalten, aber dennoch wie alles andere Wild an der nötigen Abkühlung erfreuen.
Zu guter Letzt entdecken wir etwas abgelegen eine vollkommen entspannte und in sich ruhende Tüpfelhyäne, die sich weder durch die Nässe noch durch einen Haufen verwahrloster Rotelianer in ihrem Schlaf stören lässt!
Gegen Mittag reißt der noch grau verhangene Himmel unmittelbar wieder all seine Pforten auf; dieses Mal jedoch um die gewohnt satten und wärmenden Sonnenstrahlen erneut über Sambia zu schicken, welche rasch die letzten Regenwolken im Nirwana verdampfen lassen. Bereits kurze Zeit später erreichen die Temperaturen ihren Höchststand von gestern, so als wäre nichts gewesen.
Nach ein paar Stunden Rekonvaleszenz starten wir hochmotiviert zu unserer Abend- und Nachtsafari. Leider haben sich trotz des wolkenlosen Himmels und der sich ausbreitenden Hitze die Pistenverhältnisse in keiner Art und Weise verbessert. Aber was solls? Meine Knochen haben in den vergangenen zwei Tagen komplett ihren embrionalen Werdegang noch Mal durchlebt, so dass es auf ein paar zusätzliche blaue Flecken nun auch nicht mehr ankommt.
Und wir werden so belohnt dafür: Neben dichtbehaarten Wasserböcken, die ein wenig an Rentiere erinnern, filigranen Impalas und unzähligen, imposanten Elefanten bestaunen wir ebenso putzige Affengroßfamilien sowie viele verschiedene Vogelarten in den schillernsten Farben.
Zwei Stunden später recken sich in der untergehenden Sonne wie zum Gruße die dickwanstigen Hippos tief grunzend aus dem Lunangwa-River heraus und präsentieren ihr weit aufgerissenes Maul.
Kaum ist die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, legt sich innerhalb von ein paar Minuten die Dunkelheit wie ein schwarzes Tuch über den South Lunagwa Nationalpark und lockt dadurch das nachtaktive Wild hervor. Im Lichtkegel eines starken und von einem farbigen Parkranger während der Fahrt geschwenkten Scheinwerfers schleicht sich ein kleiner, geschmeidiger Mungo davon. Die possierlichen Tierchen sehen aus wie die Miniaturausgabe eines Waschbären und nehmen es dennoch durchaus mit den giftigsten und gefährlichsten Schlangen der Welt auf.
Bei völliger Finsternis knattert der alte Jeep, der sicherlich schon während des Ersten Weltkriegs in Deutsch-Ostafrika benutzt wurde, durch den Dschungel, während mir etliche, undefinierbare Insekten und faustgroße Käfer ins Gesicht klatschen. Zimperlichkeit ist bei einer Rotelreise eh stets ein hässliches Schimpfwort.
Und wer glaubt, dass es nachts im Urwald leise zugeht, der täuscht sich da gewaltig. In dieser morastigen und von Tümpeln übersähten Buschlandschaft veranstalten Tausende von schwer verknallten und hochrolligen Fröschmännchen ein ohrenbetäubendes Quakkonzert, um ihrer auserwählten Liebsten damit zu imponieren. Auch das ständig begleitende, laute Grunzen satter Hippos gehört ebenso mit dazu wie das anmutende Zirpen der immer anwesenden Grillen.
Vollkommen erschöpft erreicht die zerbeulte Gurkentruppe bereits zur vorangeschrittenen Nachtzeit wieder das Camp "Croc Valley".
Zu später Stunde leeren wir ausgehungerten und nun inzwischen arg wortkargen Buschpioniere unsere reisgefüllten Hundenapfschüsseln in bruchsicherer Kunststoffausführung, während der wunderbare Sternenhimmel des Südens für uns leuchtet.
Wirklich alle?
Nun, das ist mir ehrlich gesagt absolut scheißegal.
Ich bin so müde, dass ich die Augen kaum noch aufhalten kann und schon von zähnefletschenden Hyänen träume, die allen Schnarchern, Tropenärzten und Großwildjägern in die aus der Schlafkabine heraushängenden Füße beißt. Danach werden diese durch ein zufällig vorbei fliegendes Raumschiff entführt und mit Braunchen als zusätzliche Geisel auf einen unbekannten Planeten in ein anderes Sonnensystem gebeamt.
Die Sepia plündert die gesamte Camp-Bar, während Schnappfisch die Reise abbricht, um in ein Schweigekloster einzutreten. Theo und Richard wollen sich ab sofort eine gemeinsame Rotel-Doppelschlafkabine teilen und Edeltraut verlässt Eberhard und brennt mit dem zwanzig Jahre jüngeren und gut durchtrainierten Parkranger durch.
Und ich ... ich wache gegen Mitternacht in dem gemütlichen Camp-Barsessel auf und krieche nun in meinen kuscheligen Eichhörnchenkobel, um von meinem geliebten Schatz in Deutschland zu träumen.
Um 4.30 Uhr quälen sich alle aus ihren verschwitzten Brutkästen heraus, da uns heute zwei Jeepsafaris erwarten. Die erste soll vor Sonnenaufgang beginnen, die zweite wird in der Dämmerung stattfinden.
Der unversöhnlichen Hyäne bläst trotz der ansteigenden Temperaturen sogleich ein kollektiver, äußerst kalter Wind ins Gesicht und sie kann sich glücklich schätzen, wenn sie bei unserem Ausflug nicht irgendeinem magersüchtigen Löwen zum Fraß vorgeworfen wird.
Noch in völliger Dunkelheit versammeln sich draußen alle Reisegefährten, um ein karges Frühstück einzunehmen, da wir mindestens vier Stunden im Dschungel unterwegs sein werden. Doch in diesem Augenblick passiert es:
Der Himmel über dem South Luangwa Nationalpark öffnet sich und ein Tropengewitter gewaltigen Ausmaßes entlädt seine ganze aufgestaute Energie quasi direkt über unserem Frühstücksbuffet.
Der gesamte staubige Krümelkaffee, Pulvermilch und Kakao schwimmen als bunte Melange vom Tisch, das knautschige Pappweißbrot findet zu seiner Teigurgestalt zurück und die offen stehenden Konserven quillen wässrig wie randvolle Regentonnen über. Die gestern Abend noch schnell handgewaschene Wäsche hängt triefend nass auf der Leine und der leuchtend rote Sandboden des Camps verwandelt sich umgehend in eine Landschaft aus tiefen Pfützen und kleinen Seen, die sich beim Betreten wie ein Harzer Moor verhalten.
Ich würde die folgende, frühmorgendliche Jeepsafari im Dschungel einem Überlebenstraining der 'Marine Seagulls' gleichsetzen.
Durch riesige Schlammlöcher kämpfend werden wir schon wieder wie im Schleudergang einer Waschmaschine durchgerüttelt und dennoch erblicken wir dabei eine herrlich vielfältige Fauna und Flora, während uns der warme Tropenregen aus allen Himmelsrichtungen ins Gesicht peitscht. Sogar die heute nur noch sehr seltene und mit rund 500 Exemplaren vor dem Aussterben bedrohte Thornicroft-Giraffe huldigt uns mit ihrem Erscheinen. Lustige Hippos tummeln sich mit ihren Kindern im sich nun füllenden Luangwa-River, während sämtliche Affenfamilien sich zwar über die gehäufte Feuchtigkeit reichlich pikiert verhalten, aber dennoch wie alles andere Wild an der nötigen Abkühlung erfreuen.
Zu guter Letzt entdecken wir etwas abgelegen eine vollkommen entspannte und in sich ruhende Tüpfelhyäne, die sich weder durch die Nässe noch durch einen Haufen verwahrloster Rotelianer in ihrem Schlaf stören lässt!
Gegen Mittag reißt der noch grau verhangene Himmel unmittelbar wieder all seine Pforten auf; dieses Mal jedoch um die gewohnt satten und wärmenden Sonnenstrahlen erneut über Sambia zu schicken, welche rasch die letzten Regenwolken im Nirwana verdampfen lassen. Bereits kurze Zeit später erreichen die Temperaturen ihren Höchststand von gestern, so als wäre nichts gewesen.
Nach ein paar Stunden Rekonvaleszenz starten wir hochmotiviert zu unserer Abend- und Nachtsafari. Leider haben sich trotz des wolkenlosen Himmels und der sich ausbreitenden Hitze die Pistenverhältnisse in keiner Art und Weise verbessert. Aber was solls? Meine Knochen haben in den vergangenen zwei Tagen komplett ihren embrionalen Werdegang noch Mal durchlebt, so dass es auf ein paar zusätzliche blaue Flecken nun auch nicht mehr ankommt.
Und wir werden so belohnt dafür: Neben dichtbehaarten Wasserböcken, die ein wenig an Rentiere erinnern, filigranen Impalas und unzähligen, imposanten Elefanten bestaunen wir ebenso putzige Affengroßfamilien sowie viele verschiedene Vogelarten in den schillernsten Farben.
Zwei Stunden später recken sich in der untergehenden Sonne wie zum Gruße die dickwanstigen Hippos tief grunzend aus dem Lunangwa-River heraus und präsentieren ihr weit aufgerissenes Maul.
Kaum ist die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, legt sich innerhalb von ein paar Minuten die Dunkelheit wie ein schwarzes Tuch über den South Lunagwa Nationalpark und lockt dadurch das nachtaktive Wild hervor. Im Lichtkegel eines starken und von einem farbigen Parkranger während der Fahrt geschwenkten Scheinwerfers schleicht sich ein kleiner, geschmeidiger Mungo davon. Die possierlichen Tierchen sehen aus wie die Miniaturausgabe eines Waschbären und nehmen es dennoch durchaus mit den giftigsten und gefährlichsten Schlangen der Welt auf.
Bei völliger Finsternis knattert der alte Jeep, der sicherlich schon während des Ersten Weltkriegs in Deutsch-Ostafrika benutzt wurde, durch den Dschungel, während mir etliche, undefinierbare Insekten und faustgroße Käfer ins Gesicht klatschen. Zimperlichkeit ist bei einer Rotelreise eh stets ein hässliches Schimpfwort.
Und wer glaubt, dass es nachts im Urwald leise zugeht, der täuscht sich da gewaltig. In dieser morastigen und von Tümpeln übersähten Buschlandschaft veranstalten Tausende von schwer verknallten und hochrolligen Fröschmännchen ein ohrenbetäubendes Quakkonzert, um ihrer auserwählten Liebsten damit zu imponieren. Auch das ständig begleitende, laute Grunzen satter Hippos gehört ebenso mit dazu wie das anmutende Zirpen der immer anwesenden Grillen.
Vollkommen erschöpft erreicht die zerbeulte Gurkentruppe bereits zur vorangeschrittenen Nachtzeit wieder das Camp "Croc Valley".
Zu später Stunde leeren wir ausgehungerten und nun inzwischen arg wortkargen Buschpioniere unsere reisgefüllten Hundenapfschüsseln in bruchsicherer Kunststoffausführung, während der wunderbare Sternenhimmel des Südens für uns leuchtet.
Wirklich alle?
Nun, das ist mir ehrlich gesagt absolut scheißegal.
Ich bin so müde, dass ich die Augen kaum noch aufhalten kann und schon von zähnefletschenden Hyänen träume, die allen Schnarchern, Tropenärzten und Großwildjägern in die aus der Schlafkabine heraushängenden Füße beißt. Danach werden diese durch ein zufällig vorbei fliegendes Raumschiff entführt und mit Braunchen als zusätzliche Geisel auf einen unbekannten Planeten in ein anderes Sonnensystem gebeamt.
Die Sepia plündert die gesamte Camp-Bar, während Schnappfisch die Reise abbricht, um in ein Schweigekloster einzutreten. Theo und Richard wollen sich ab sofort eine gemeinsame Rotel-Doppelschlafkabine teilen und Edeltraut verlässt Eberhard und brennt mit dem zwanzig Jahre jüngeren und gut durchtrainierten Parkranger durch.
Und ich ... ich wache gegen Mitternacht in dem gemütlichen Camp-Barsessel auf und krieche nun in meinen kuscheligen Eichhörnchenkobel, um von meinem geliebten Schatz in Deutschland zu träumen.
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